Enquetekommission „Kinder und Jugendliche in der Pandemie – Lehren aus den Erfahrungen und Auswirkungen staatlichen Handelns in der Corona-Pandemie ziehen und für zukünftige Entscheidungen nutzbar machen“

Daniel Reinhardt
RedenDaniel Reinhardt

Zum Antrag der Fraktion der CDU - Drucksache 7/6265

 

Sehr geehrte Zuhörerschaft, Herr Präsident! Enquetekommission – ich muss es zugeben, bevor ich die Möglichkeit hatte, hier auf Zeit ein Mandat auszuführen, kannte ich den Begriff einer Enquetekommission tatsächlich nicht. Ich wusste, klar, das ist eine Kommission, aber mit „Enquete“ konnte ich nicht so viel anfangen. Ich habe daher unter anderem hier im Landtag zehn Leute gefragt, was denn der Unterschied zwischen einer Enquete und einem Bankett ist. Meine Lieblingsantwort war tatsächlich: Das eine schreibt man mit A, das andere mit B. Das ist natürlich nicht so und beide Wörter haben auch nicht wirklich was miteinander zu tun. Vielmehr soll so eine Enquetekommission gesellschaftliche Probleme untersuchen, und zwar im Gegensatz zu den von uns gegründeten Untersuchungsausschüssen, in denen etwas untersucht wird, wie der Wortstamm auch hergibt, mit der Hilfe von Sachverständigen neben den Abgeordneten, und nicht nur mit der wissenschaftlichen Begleitung, sondern frei von politischen Zwängen, von politischen Lagern untersuchen, wo man sich ergebnisoffen auf etwas einstellt, mit viel Zeit, die zur Verfügung steht. Das ganze Ergebnis soll im Bericht niedergeschrieben werden und uns, geschätzte Kollegen Abgeordnete, der Legislative, zur Gesetzgebung vorgelegt werden. So weit so gut, habe ich verstanden.

 

Anhand dieses neu erworbenen Wissens, zumindest für mich, habe ich darüber nachgedacht, ob es gut und sinnvoll wäre, eine Enquetekommission für den Kindergarten einzurichten, also eine Enquetekommission, die untersucht, wie wir in Thüringen mit der Kindergartenlandschaft 2030 aufgestellt sein wollen. Ich bin für mich zu dem Entschluss gekommen, das wäre eigentlich eine gute Idee. Erstens sind wir hier parteiübergreifend der Auffassung, im Kindergarten muss es vorangehen.

 

(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Gab es doch schon!)

 

Ich weiß, dass es das gab.

 

Wir sind in Thüringen tatsächlich auch zuständig, sowohl in der Personalausstattung, aber bei der Gebührenfreiheit usw. Nun habe ich mich natürlich im Anschluss hauptsächlich mit dem inhaltlichen Antrag der CDU auseinandergesetzt und habe mich gefragt: Ist denn für das Ziel, was dort beschrieben worden ist, die Errichtung einer Enquetekommission das Richtige?

 

Eines vorab: Also wirklich Lob an Ihren wissenschaftlichen Referenten/Mitarbeiter. Der Antrag ist ein richtiges Fleißwerk. Also da sind ja richtig viele Punkte und Stichpunkte aufgearbeitet. Das ist ein echt großes und inhaltlich starkes Papier. Kurz zusammengefasst ist der Titel dieses Papiers „Kinder und Jugendliche in der Pandemie – Lehren aus den Erfahrungen und Auswirkungen staatlichen Handelns in der Corona-Pandemie ziehen und für zukünftige Entscheidungen nutzbar machen“.

 

Es ist auf jeden Fall ein gutes und wichtiges Thema, ohne Frage, es ist aber auch – und das höre ich hier auch von der rechten Seite, die gerade auch mal wieder reinruft – ein streitbares Thema. Ich denke, man sollte dieses Thema gerade bei der Gründung einer Enquetekommission, in der man ergebnisoffen ein Thema von allen Seiten beleuchten sollte, nicht dafür nutzen, das dort einzurichten.

 

Wer den Antrag gelesen hat, der sieht, dass in diesen fleißigen Antrag ganz viele Punkte hineingesetzt worden sind, wo man im Grunde genommen versucht abzurechnen, was alles schlecht gelaufen ist. Also im Grunde genommen ist das schon ein vorweggenommenes Ergebnis, was die Kommission nur noch bestätigen soll. Klar kann man sagen – das haben jetzt auch im Vorfeld die Leute in ihrer Rede schon gesagt –, es gab viele negative Auswirkungen dieser Coronamaßnahmen. Gerade für junge Menschen, für Kinder, Jugendliche, junge Erwachsene bedeutete die Pandemie ganz grobe Einschnitte, und zwar ohne zu sagen, ich zähle jetzt alles auf, aber es wurden die Bildungsprozesse der Kinder und Jugendliche infrage gestellt. Besonders die soziale Interaktion wurde Kindern und Jugendlichen genommen, also das Miteinander. In den Familien war es nicht immer leicht und man kann, denke ich, sagen, Kinder und Jugendliche haben eine der Hauptlasten dieser Coronapandemie getragen, eben durch die Schließungen von Kindergärten, Jugendklubs und Schulen. Das hat mitunter zu körperlichen, emotionalen, sozialen, psychischen Belastungen geführt.

 

Als Fachpolitiker finde ich im Übrigen – darauf sind auch meine beiden Vorrednerinnen Frau Rothe-Beinlich und Frau Baum in ihren Reden zu dem anderen Thema eingegangen – das Thema „Resilienzfaktor“ besonders spannend. Das kommt in dem Antrag leider gar nicht vor. Sprich: Welche Resilienzfaktoren gibt es denn, wie Kinder und Jugendliche gut durch die Krise gekommen sind? Das gibt es ja auch. Wäre es nicht lohnenswert, darüber nachzudenken, als zu gucken, was alles schlecht gelaufen ist? Das staatliche Handeln war und ist maßgeblich durch die Bundesregierung geprägt gewesen, also sie hat Leitplanken vorgelegt. Wenn man so eine Enquetekommission einrichten würde, dann würde ich es für fachlich korrekter halten, sie auf Ebene der 16 Bundesländer einzurichten und hier zwischen den 16 Bundesländern zu vergleichen, wo etwas gut gelaufen ist und was andere Länder übernehmen sollten.

 

Ich weiß nicht, wie es bei Ihnen war, aber bei mir war es so, dass sowohl im Freundeskreis, aber auch bei mir in Bürgergesprächen beide – in Anführungsstrichen – Lager da waren. Es waren die Menschen da, die Zero Covid gefordert haben, und am besten immer noch und immer weiter, und auf der anderen Seite waren die Leute da, die gesagt haben, wir wollen hier überhaupt gar keine staatlichen Einschränkungen und Maßnahmen haben, das bringt alles nichts und wir müssen nicht geschützt werden – also ein Riss mitten durch die Gesellschaft. Die damals handelnden Politikerinnen und Politiker wurden durch die Gefahren dieser Pandemie unter Handlungsdruck gestellt und haben gehandelt, mitten in eine Gesellschaft hinein, die unvorbereitet war und die diese Prozesse sehr unterschiedlich bewertet hat.

 

Dass nicht alle Entschlüsse, die damals gefasst worden sind, gut waren, das wissen wir heute. Aber zu dem Zeitpunkt, wo die Entscheidungen getroffen werden mussten, war es mit der Datenbasis, denke ich, oftmals eine richtige und gute Entscheidung, diese Entscheidung zu treffen. Das wissen wir heute, das ist aber in der Auswertung nicht überall korrekt gewesen. Zudem war bzw. ist Deutschland, Gesamtdeutschland, auf die Anforderungen einer solchen Pandemie schlecht vorbereitet gewesen – Stichwort: Digitalisierung, aber auch regionale Produktions- und Kreislaufketten usw. Das alles würde sich aber in einer Enquetekommission überhaupt gar nicht aufheben lassen. Und ich glaube, genau so etwas, was ich gerade vorgetragen habe, war das, was Gesundheitsminister Jens Spahn von der CDU, als er damals vor dem Bundestag sprach und sagte, wir werden uns gegenseitig viel zu verzeihen haben, gemeint hat. Aber er meinte noch mehr, und zwar meinte er, dass der Schaden, der durch eine zugespitzte und intolerante Diskussion im Umfeld der Pandemie und der politischen Maßnahmen angerichtet wurde, viel größer ist. Und ich lese das von ihm mal wörtlich vor, weil es tatsächlich sehr menschlich ist, was er da weiterhin zum Ausdruck gebracht hat. Jens Spahn also: „Was mich […] durch meine persönlichen Erfahrungen aus den letzten Jahren besonders umtreibt, ist die Frage des Umgangs miteinander und wie wir innerhalb der Gesellschaft diskutieren. Bei aller Solidarität, die wir in der Pandemie sahen, konnten wir erleben, wie Spannungen und Spaltungen in der Gesellschaft zunahmen. Die Pandemie wurde zu einem [großen] Test für die Debattenkultur, im Kleinen ebenso wie im Großen. Dass Debatten auch kontrovers geführt werden, ist wichtig in einer Demokratie. Aber wir sollten dabei empathisch bleiben, nicht verhärten, nicht ‚unerbittlich‘ werden.“ Darum ging es ihm auch, als er den Satz sagte: „Wir werden einander viel verzeihen müssen.“ Nun aber noch mal zur Frage zurück. Wenn Sie hier zur rechten Seite, Herr Aust und Kollegin Lehmann, vielleicht die Gespräche nach außen verlagern würden, tatsächlich stört es ein bisschen, wenn ich Sie auf dem rechten Ohr die ganze Zeit miteinander debattieren höre. Sie können das gerne machen, aber vielleicht nicht jetzt oder draußen.

 

Nun also zurück zur Frage, ist die Enquetekommission auf Thüringer Ebene das richtige Mittel. Ich sage: nein. Aus Zeitgründen kürze ich nun etwas ein. Einerseits wurden die maßgeblichen Entscheidungen, ich habe schon darauf hingewiesen, nicht auf Landesebene, sondern auf Bundesebene entschieden. Wenn eine Auswertung schon getroffen werden soll – und wir haben heute schon die erste Rede, wir hören noch weitere Reden, gehört –, dann muss die eben auf der Ebene der KMK beispielsweise getroffen werden. Für das wichtige Thema, die Auswirkungen von Corona und staatlichen Handelns und wie man dagegen besser vorgehen kann oder wie man uns besser vorbereiten kann, um darauf besser reagieren zu können, auf die nächste Krise, die sicherlich kommen kann, braucht es mehr Zeit. In dieser fast abgelaufenen Legislaturperiode können wir dem wahrscheinlich gar nicht mehr gerecht werden, vor allem mit diesem riesengroßen Fragenkatalog, den die CDU hier ausgearbeitet hat und mit den so wichtigen wissenschaftlichen Untersuchungen. Es wurden bereits Schlussfolgerungen aus der Coronakrise gezogen. Das haben wir im Vorfeld der Rede gehört, das werden wir jetzt noch im Nachgang hören. Das würde quasi die Enquetekommission überflüssig machen.

Insgesamt ist die Ausrichtung des CDU-Antrags negativ und tatsächlich rückwärtsgewandt, Stichwort: Resilienzfaktor. Es braucht aber eine positive Ausrichtung und die Stärkung dieser Faktoren bei unseren Kindern. All das sind die Punkte, weshalb unsere Links-Fraktion der Enquetekommission nicht zustimmen wird. Es wird Sie auch nicht verwundern, dass der Entschließungsantrag der AfD bei uns nicht auf Zustimmung stoßen wird. Meine Fraktion, die Koalition wird der Ausschussempfehlung folgen und entsprechend ablehnen. Vielen Dank für die zumindest meistens aufmerksame Zuhörerschaft. Von der rechten Seite hier im Parlament war es nicht der Fall. Selbst Herr Höcke übt sich gerade an Fangübungen. Vielen Dank.

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