Drittes Gesetz zur Änderung des Thüringer Ladenöffnungsgesetzes

Lena Saniye Güngör
RedenLena Saniye Güngör

Zum Gesetzentwurf der Parlamentarischen Gruppe der FDP - Drucksache 7/5361

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Abgeordnete, sehr geehrte Zuhörende, erneut diskutieren wir über das Ladenöffnungsgesetz heute in der zweiten Lesung des Gesetzentwurfs der FDP. Ich glaube, „erneut“ ist mittlerweile eine ganz höfliche Untertreibung für die Frage, wie oft wir das hier schon behandelt haben. Ich glaube, einige haben hier argumentative Flashbacks und können wahrscheinlich die Hälfte der Reden auch mitsprechen. Ich möchte trotzdem die Gelegenheit nutzen, um noch mal auf die Konsequenzen einzugehen, die eine solche Änderung des Thüringer Ladenöffnungsgesetzes, wie die FDP sie vorschlägt, für die Thüringer Wirtschaft bedeuten würde.

 

Herr Kemmerich, Sie haben in Ihrer Rede auch zur ersten Lesung des Gesetzentwurfs darüber ausgeführt, Sie wollten mit dieser Änderung die problematische Fachkräftesituation in Thüringen angehen. Genau dieser Gesetzentwurf hat aber den gegenteiligen Effekt. Denn, wenn Sie das Samstagarbeitsverbot durch den § 12 Abs. 3 ändern würden, hieße es: „Auf eigenes Verlangen“ – das ist ja immer schon spannende Formulierung – „sind Arbeitnehmer in Verkaufsstellen an bis zu zwei Samstagen pro Kalendermonat freizustellen.“ Ihre Ausführung zum Thema „Arbeitsverbot“ und auch die üblichen Beispiele, die Sie gerade gebracht haben, wer Ihrer Meinung nach alles ständig am Wochenende arbeiten will, ist weiterhin realitätsfremd. Es ist schon sehr erstaunlich, weil man sich immer wieder fragen muss, mit wem unterhalten Sie sich eigentlich oder sind das immer nur ausgedachte Beispiele. Es ist eine Verhöhnung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Thüringen im Einzelhandel, so zu tun, als würden Sie nicht schon sehr viel arbeiten und als wären sie nicht schon an ihren Belastungsgrenzen

 

(Zwischenruf Abg. Montag, Gruppe der FDP: Sie sollten nicht nur mit den Gewerkschaften sprechen!)

 

gerade nach mehreren Jahren Pandemie, denn

 

(Beifall DIE LINKE)

 

– und das wiederhole ich allzu gern in jeder Plenarsitzung, in der wir über das Ladenöffnungsgesetz hier in Thüringen debattieren – dieses Thüringer Ladenöffnungsgesetz gibt uns Attraktivität als Standort.

 

Vizepräsidentin Henfling:

 

Erlauben Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Montag?

 

Abgeordnete Güngör, DIE LINKE:

 

Ja, ich erlaube die.

 

Abgeordneter Montag, Gruppe der FDP:

 

Vielen Dank für die Möglichkeit, eine Zwischenfrage zu stellen. Würden Sie mit mir denn übereinstimmen, dass auch bei vermehrter freiwilliger Samstagarbeit, dessen Formulierung aus dem Berliner Entwurf des rot-roten Senats stammt, weiterhin das Bundesarbeitszeitgesetz gilt, das heißt, überhaupt keine Nachteile für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer entstehen?

 

Abgeordnete Güngör, DIE LINKE:

 

Na ja, der offensichtliche Nachteil …

 

(Zwischenruf Abg. Montag, Gruppe der FDP: Das habt ihr in Berlin beschlossen!)

 

Ganz kurz: Wenn Sie eine Frage stellen, vielleicht interessiert Sie die Antwort, dann würde ich sie Ihnen auch geben.

 

(Unruhe im Hause)

 

Ich würde noch kurz antworten, wenn die Herren es erlauben.

Und zwar ist es so, dass natürlich der Nachteil da ist, dann die Samstagarbeit nicht zu haben. Und wenn es darum geht, immer noch zusätzliche Gewinne einzutreiben – das ist ja die Logik, es würde sich finanziell im einen oder anderen Bereich lohnen, es würde Sinn machen, noch einen Samstag mehr zu nehmen –, dann muss man sich doch fragen, wie perfide ist denn das System. Da geht es ja gerade um den Einzelhandel Richtung Möbelgeschäft, dass man überhaupt darauf angewiesen ist, noch einen Samstag mehr arbeiten zu gehen, anstatt ein vernünftiges Grundgehalt zu haben.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Vizepräsidentin Henfling:

 

Jetzt hat aber vor allen Dingen Frau Güngör das Wort. Deswegen würde ich darum bitten, dass wir alle wieder ein bisschen ruhiger werden.

 

Abgeordnete Güngör, DIE LINKE:

 

Danke schön. – Also, liebe Dame und liebe Herren der FDP, falls es Ihnen immer noch nicht bewusst sein sollte, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind das Herz unserer Wirtschaft und – ja – das gilt auch für den Einzelhandel, nicht aber für die Wirtschaftskammern, an die offensichtlich Ihr Gesetzentwurf adressiert ist.

 

Vor genau einer Woche saßen Kollegin Lehmann und ich zusammen bei der Tarifkommission „Einzelhandel“ von Verdi und haben mit den zuständigen Mitarbeiterinnen über die erneuten Angriffe auf das Ladenöffnungsgesetz gesprochen. Das mögen Sie weglächeln, das mögen Sie wegdiskutieren. Der Punkt ist einfach: Es schafft immer wieder Unsicherheit bei den Beschäftigten im Einzelhandel, dass wir auf die Art und Weise unser Gesetz hier aufzubrechen drohen. Die Arbeitnehmerinnen haben ganz konkret das Gefühl, dass wir Ihnen in den Rücken fallen, weil wir nicht über die ernsthaften und konkreten Maßnahmen sprechen, mit denen wir den Beruf attraktiver gestalten, wie wir für mehr Ausbildung sorgen, die Nachwuchssicherung abfedern können, wie wir zu besserer Tarifbindung kommen, zu mehr Mitsprache am Arbeitsplatz, zum gesunden Arbeiten usw. usf. Genau zu all diesen wichtigen Punkten, die die Beschäftigten wirklich interessieren, zu denen kommen wir dann eben nicht. Wir kommen auch nicht dazu, darüber zu sprechen, was wir eigentlich für Konsequenzen aus der Pandemie ziehen. Immerhin sind das die Kolleginnen und Kollegen, die zwei Jahre lang als systemrelevant beklatscht wurden bzw. das Klatschen ging dann doch wieder relativ schnell vorbei. Und nach dem Klatschen sehen sie: Es passiert ja noch nicht einmal etwas Produktives nach vorn, sondern nein, wir versuchen hier das Minimum zu halten, indem wir unser Thüringer Ladenöffnungsgesetz absichern.

 

Der Änderungsantrag der AfD zu diesem Gesetzentwurf versucht unter dem Deckmantel einer vermeintlich wissenschaftlichen Evaluation ebenfalls aufzuweichen. Wir brauchen keine wissenschaftliche Evaluation für einen Antrag, der einen politischen Versuch darstellt, zugunsten der Arbeitgeber die Arbeitsbelastung der eh schon belasteten Arbeitnehmer im Einzelhandel noch weiter zu steigern.

 

Einen Punkt möchte ich noch auf die gerade vorgebrachte Argumentation, auch nichts Neues, wir wollen hier was aufweichen, um die Innenstädte zu retten, sagen: Kein Aufweichen des Ladenöffnungsgesetzes würde den Einzelhandel, den kleinen Einzelhandel, gegenüber dem Online-Shopping stärken. Das ist wirklich eine Pseudoargumentation. Wir können sehr gern drüber reden, was unsere Innenstädte attraktiver macht. Wenn ich mich unterhalte, dann wird selten gesagt: Ah, ich shoppe zu wenig, ich müsste noch länger shoppen. – Nein, für Innenstädte sind andere Faktoren attraktiv.

 

Deswegen, wir als Linksfraktion und auch wir als Koalition werden diesen platten Vorstoß bzw. – ist ja leider Plural – diese beiden platten Vorstöße ablehnen. Vielen Dank.

 

(Beifall DIE LINKE)

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