Die Repräsentanz gebürtiger Ostdeutscher in den Führungspositionen des Thüringer Arbeitsmarktes stärken

Lena Saniye Güngör
RedenLena Saniye Güngör

Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der SPD - Drucksache 7/7172

 

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, mit der heutigen Aktuellen Stunde der SPD wird die Dringlichkeit hervorgehoben, endlich angemessen viele Ostdeutsche in Führungspositionen zu berücksichtigen. Dafür möchte ich mich erstmal herzlich bedanken, es ist denke ich an der Zeit, dass wir heute darüber sprechen. Die Datenlage – auf die ist auch schon mehrfach rückgestellt worden – vom Ostbeauftragten der Bundesregierung zeigt deutlich, Ostdeutsche, je nach Messung, sind bei ca. 20 Prozent der Gesamtgesellschaft und auf der Führungsebene nur mit 13,5 Prozent bzw. ohne Berlin nur mit 7,4 Prozent vertreten. Es ist aber auch leider keine Neuigkeit mehr, dass nach der Wiedervereinigung viele Führungsposten in Ostdeutschland eben gezielt und bewusst von westdeutschen Personen besetzt und übernommen wurden und ostdeutsche Perspektiven so systematisch ausgegrenzt wurden. Die politische Annahme, dass sich dieser Prozess innerhalb einer Generation auflöst, ist nicht eingetreten, ganz im Gegenteil. Eher verfestigen sich die Prozesse noch. In Ostdeutschland werden immer noch zwei Drittel der Unternehmen von Westdeutschen geführt und diese strukturellen Ungleichheiten ergeben sich eben aus einem einseitigen Transformationsprozess. Und ich finde, in der Debatte wird ganz oft diese grundlegende Frage nicht genug betont, wieso sich eigentlich wer an wen integrieren sollte, wer an wem orientierten, wer an wem assimilieren, weil das zeigt immer noch das Normverständnis, dass sich der Osten irgendwie in allen Daten an den Westen anzugleichen habe.

 

Wenn wir uns den Niedriglohnsektor in Ostdeutschland angucken, der etwa ein Drittel der Vollzeitbeschäftigten im Osten 2019 beinhaltete, im Westen waren es eben nur 16 Prozent. Und selbst für die gleiche Arbeit werden Ostdeutsche immer noch mit weniger Entlohnung versehen als ihre westdeutschen Kollegen. Aber – und das finde ich wichtig –, wenn wir diesen Status Quo darstellen in den aktuellen tariflichen Auseinandersetzungen nicht nur um Lohn, auch um Arbeitsbedingungen und insbesondere um Arbeitszeit, sehen wir, dass die Ostdeutschen in ihrem Selbstbild weg vom Bild des Arbeitsspartaners gehen und ganz selbstbewusst Forderungen an ihren Arbeitsplatz stellen und ganz selbstbewusst Forderungen stellen, wie sie sich eine zukunftsfähige Arbeit wünschen. Es lohnt sich also festzuhalten, dass das Thema der heutigen Aktuellen Stunde schon eine Weile aktuell ist und für mich stellt sich dann schon die Frage, wieso die Bundesregierung sich erst jetzt damit beschäftigt. Immerhin ist auch die SPD seit der Wiedervereinigung bereits 21 Jahre an der Regierung beteiligt gewesen, hat also diese Entwicklungsprozesse zumindest teilweise auch mitverantwortet. Im Gegensatz dazu ist die Linke insbesondere auf Bundesebene seit Jahren, wenn nicht seit Jahrzehnten Verfechterin ostdeutscher Interessen. Und ich nehme nur das aktuellste Beispiel: Die Linke hat auf Bundesebene zuletzt 2019 in einem Antrag gefordert, endlich gleichwertigen Zugang zu Spitzenpositionen in Verwaltungsbehörden zwischen Ost und West zu schaffen und eine Ostquote einzuführen. Damals lehnte die SPD ab und führte dazu aus, dass juristisch nicht zu definieren sei, wer denn ost- und wer westdeutsch wäre. Diese Bedenken sind scheinbar nicht mehr aktuell, das mindestens finde ich sehr gut.

 

Ich glaube, das vorgelegte Konzept von Carsten Schneider zur Besetzung ostdeutscher Arbeitnehmerinnen in den Führungspositionen kann natürlich nicht alles auf einen Schlag lösen, was in den letzten Jahren und Jahrzehnten für Entwicklungen auf dem deutschen Arbeitsmarkt gelaufen sind, aber es ist zumindest ein Schritt in die richtige Richtung. Ich denke, er ist insofern nicht entschlossen genug, als dass nur die Bundesverwaltung paritätisch mehr mit Ostdeutschen besetzt werden soll und wir haben hier schon im Rund über die Repräsentation in der Wirtschaft, in den Medien, in der Wissenschaft und in der Justiz gesprochen. Hier greift der Vorschlag bisher zu kurz.

 

Ich glaube, dass wir dabei unseren Fokus und unser politisches Handeln auch auf weitere Gruppen richten müssen, die sowohl in Ost- als auch in Westdeutschland auf dem Arbeitsmarkt deutlich benachteiligt werden. Während wir als Frauen immerhin 50 Prozent der Gesellschaft darstellen, sind wir in Führungspositionen weiterhin nur mit 30 Prozent vertreten. Und während wir als Migrantinnen 26 Prozent der Bevölkerung stellen, sind wir in Führungsposten mit 9,2 Prozent vertreten.

 

Und Richtung AfD kann ich zum „Thema Doppelstandards“ nur sagen: Das waren einige lächerliche Aussagen, aber das war die lächerlichste Aussage in Ihrer Rede.

Wenn wir das ernst nehmen, wie diese verschiedenen Personengruppen ineinandergreifen, dann müssen wir alle Maßnahmen, die auch die Bundesregierung jetzt vorschlägt, intersektional denken. So verstehe ich auch die Maßnahmenziele, die vorgestellt wurden. Das finde ich erst mal sehr gut und wichtig.

 

Abschließend bleibt festzuhalten, dass ich sehr gespannt bin auf die im Bundeskonzept benannten Eckpunktepapiere, die in Zusammenarbeit mit den ostdeutschen Bundesländern und Bundesregierungen erstellt werden sollen. Auch hier würde ich empfehlen, die Kolleginnen und Kollegen der westdeutschen Bundesländer nicht zu schnell aus ihrer Verantwortung zu entlassen. Vielen Dank.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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