Das stille Leiden an ME/CFS beenden: Forschung, Versorgung und Aufklärung stärken

Ralf Plötner
RedenRalf Plötner

Zum Antrag der Parlamentarischen Gruppe der FDP - Drucksache 7/4894

 

Vielen Dank. Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Anwesende! Es ist schon furchtbar, Herr Dr. Lauerwald, wenn Sie bei diesem wichtigen und sensiblen Thema hier noch mal Ihre Hetze gegen die Corona-Impfung starten. Das ist kein Zustand, es ist unerträglich. Es nervt einfach. Lassen Sie es sein.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD)

 

Der Antrag der Gruppe der FDP, der uns hier vorliegt, beschäftigt sich mit der Situation von Menschen, die an ME/CFS leiden, also an der myalgischen Enzephalomyletitis und am chronischen Fatigue-Syndrom. Lassen Sie es mich bitte Chronisches Erschöpfungssyndrom nennen, damit ein Großteil der Menschen der Debatte hier folgen kann bzw. ist das auch der umgangssprachliche Begriff, der dafür verwendet wird. Das soll natürlich keine Bagatellisierung dieses Krankheitsbilds sein, denn es gibt leider auch sehr kritische Verläufe, wir haben das gehört. Es gehört auch dazu, dass es eine hohe Belastungsintoleranz gibt, die nach einer geringen körperlichen Anstrengung auftritt. Betroffene können einfache Dinge des Alltags nicht mehr erledigen. Sie sind sehr schnell erschöpft und auch die geringsten Belastungen führen zu einer maximalen Erschöpfung und verschlechtern den allgemeinen gesundheitlichen Zustand. Da es sich um chronische Verläufe handelt, mündet es leider häufig auch in eine körperliche Behinderung. Deswegen ist es auch ein Thema, das in diesen Landtag gehört. Es ist wichtig, dass wir uns darüber austauschen.

 

Es ist leider noch so, dass Menschen mit diesen Beschwerden existieren, die keine Diagnose bekommen oder eine falsche oder unglaublich lange warten, bis sie die Diagnose haben. Aber um auch die Mediziner an dieser Stelle ein Stück weit in Schutz zu nehmen: Es ist aber aufgrund der Symptome – wie zum Beispiel Erschöpfung, Kopf- und Gliederschmerzen oder Schlafstörungen – auch nicht so einfach, eine zielgenaue Diagnose zu erheben. Dies bedeutet in der Folge, dass in der Forschung und in der Lehre mehr Fokus auf dieses chronische Erschöpfungssyndrom gelegt werden muss. Wir wissen auch – nicht zuletzt durch die lange und intensiv geführte Debatte über Long-COVID –, dass damit für manche Menschen auch verbunden ist, dass sie an ME/CFS leiden. Dementsprechend haben wir uns auch im Landtag hier schon einmal intensiv damit beschäftigt. Auch das Uniklinikum in Jena und die Landesärztekammer haben das voll auf dem Schirm, indem sie als Inhalt ihrer Lehre und mit Weiterbildungs- und Bildungsangeboten versuchen, die medizinische Versorgung weiter zu optimieren und für dieses Thema eine höhere Sensibilität in der Ärzteschaft und in der gesamten Versorgungslandschaft zu schaffen. Das ist auch bitter nötig, dass wir diese Long-COVID-Ambulanz am Uniklinikum in Jena haben. Es ist eine Versorgung, die leider viele Menschen in Anspruch nehmen müssen. Ich persönlich kenne auch einige davon. Das ist natürlich auch nicht schön, dass sie das in Anspruch nehmen müssen, aber sie haben immer einen hohen Dankbarkeitsgrad an die Professionalität am Uniklinikum Jena und fühlen sich dort auch gut versorgt und aufgehoben und das muss natürlich dementsprechend weiter ausgebaut werden.

 

Ich komme jetzt zu zwei, drei Punkten, die auch im Antrag aufgeworfen sind, die konkreten Forderungen an die Landesregierung. Lassen Sie mich zum Beispiel den Punkt III. a) nehmen. Da ist das Mitteldeutsche Forschungszentrum genannt und der Wunsch nach Erweiterung, dass die Forschung auch auf dieses chronische Erschöpfungssyndrom ausgeweitet wird. Das gilt es im Grundsatz durchaus zu begrüßen. Nehmen wir beispielsweise noch den Punkt III. f). Dort fordert die FDP Preisdämpfungsmechanismen für Medikamente im Versorgungsbereich des chronischen Erschöpfungssyndroms. Das ist diskussionswürdig, lieber Kollege Montag. Es wäre aber meines Erachtens auch allgemein für Medikamente durchaus sinnvoll, dass nicht die Marktmechanismen gelten, die immer überall walten, sondern dass es ein verträgliches Preisniveau für alle Medikamente gibt.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Wenn nur eine bestimmte Erkrankung da herausgenommen wird, ist das sicherlich nicht unbedingt zielführend. Aber das können wir gern auch im weiteren Verlauf im Ausschuss intensiv diskutieren.

 

Es gibt auch noch weitere Punkte, die wir diskutieren sollten. Zum Beispiel gibt es auch die Forderung nach dem Ausschöpfen des Rechtsrahmens bei der Datenschutzgrundverordnung. In diesem sensiblen Bereich – glaube ich – müssen wir auch sehr genau hinschauen. Da gibt es sicherlich noch einigen Klärungsbedarf zu den hohen Anforderungen, die der Datenschutz zum einen natürlich an uns alle stellt. Zum anderen wollen wir aber auch zielgenaue und unkomplizierte, unbürokratische Lösungen haben, was eben möglich ist.

 

Lassen Sie mich mal noch kurz ein Beispiel von einer Betroffenen schildern; das hat sie auch im September 2022 veröffentlicht – eine Frau, 39 Jahre alt. Ich zitiere mal kurz, wie alles anfing, wie alles begann: „Bei mir fing alles im Ostseeurlaub im September 2017 mit Schwächeanfällen an. Als ich wieder zu Hause war, bekam ich einen hartnäckigen Nasennebenhöhleninfekt, weswegen ich Antibiotikum nehmen musste.“ So weit, so harmlos wirkte dieser Beginn. „Und dann“, so sagt sie, „begann meine Ärzteodyssee, die sich insgesamt drei Jahre zog, bis ich dann endlich eine Diagnose hatte.“ Also ging es zum Hausarzt, dann zum Gastroenterologen, dann musste sie wieder zum Hausarzt, dann wurde sogar ein Psychiater in Betracht gezogen, dann war es eine psychologische Versorgung – Verhaltenstherapeutin –, dann ging es zum Kardiologen, zum Neurologen, zum Pulmologen, zum weiteren Gastroenterologen und zum Orthopäden und vieles weitere mehr: schlussendlich über 30 Ärztinnen und Ärzte, die hier konsultiert worden sind. Selbst ein Hausarztwechsel brachte noch nicht den gewünschten Versorgungserfolg, dass es eine zielgenaue Diagnose gab und dementsprechend auch die besten Möglichkeiten der Versorgung ausgeschöpft worden sind. Schlussendlich war es so, dass sich die Frau selbst auch in sozialen Medien mit anderen Betroffenen vernetzt und ausgetauscht hat, sich tatsächlich auch in diesem Krankheitsbild wiedergefunden hat und dann nach drei Jahren an den Experten gekommen ist, der ein hohes Verständnis für ihr Krankheitsbild hatte und sich wirklich ihrem Leiden sehr gewidmet hat, und sie sich tatsächlich ein Stück weit mehr verstanden und gut versorgt gefühlt hat. Dieses Beispiel ist außerhalb Thüringens passiert, aber – ich glaube – es steht exemplarisch für die großen Schwierigkeiten, die auch mit diesem Krankheitsbild verbunden sind.

 

Lassen Sie uns deswegen gern im Ausschuss gemeinsam über die insgesamt 37 Punkte und Unterpunkte reden und diskutieren, die Betroffenen haben das sicherlich wirklich verdient und auch einen hohen Anspruch an uns, dass die Versorgung weiter ausgebaut und verbessert wird. Daran lassen Sie uns gern gemeinsam arbeiten. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Gruppe der FDP)

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