Betreuung und Beschulung von Flüchtlingskindern an ukrainischen Vorstellungen orientieren

Torsten Wolf
RedenTorsten Wolf

Zum Antrag der Fraktion der AfD - Drucksache 7/5423

 

Sehr geehrter Herr Präsident, vielen Dank auch für die Zurverfügungstellung der richtigen Zeit. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Was soll man dazu sagen? Wenn von hier vorn aus tatsächlich eine These formuliert wird, dass der verbrecherische Angriffskrieg, der Millionen Menschen auf die Flucht treibt, insbesondere Familien, dass das mit einer rot-rot-grünen Migrationspolitik verbunden wird – so viel Leere hätte ich noch nicht mal in Ihrem Kopf vermutet. Ich stelle fest beim Lesen des Antrags der AfD, dass das in Kontinuität jetzt der Antrag ist zu seit 2015/2016 laufenden diskriminierenden, separierenden und ausgrenzenden Ansätzen im Bereich „Bildung“ als Schule und Kita. Die Kernaussage des Ganzen ist ziemlich eindeutig und wird den Aggressor Putin mehr als freuen – vielleicht findet sich ja auch auf irgendeinem Konto bei Ihnen die entsprechende Freude wieder –,

 

(Zwischenruf Abg. Czuppon, AfD: So ein Schwachsinn!)

 

und zwar: nicht willkommen, nicht willkommen.

 

(Zwischenruf Abg. Czuppon, AfD: Unterstellung!)

 

Das ist das, was Sie den Menschen vermitteln, die hierherkommen. Und jetzt will ich mal sagen, diese Woche hat sich die Wirtschaft eindeutig hier in Thüringen auch positioniert, indem sie sagt, wir brauchen eine Willkommenskultur, und zwar überall in Thüringen. Diejenigen, die dafür verantwortlich sind, dass keine Willkommenskultur da ist und geschaffen wird, die sind auch verantwortlich, dass wir zukünftig unsere sozialen Sicherungssysteme, aber auch unsere wirtschaftliche Wertschöpfung nicht mehr sicherstellen können – also Sie. Lassen Sie es sich bitte gesagt sein.

 

Nun zu dem Antrag, rein formal erst mal. Wenn Sie sich darauf beziehen, dass – Kollegin Baum hat es soeben schon ausgeführt, vielleicht ist es auch gar nicht mehr so aktuell – sich die Generalkonsulin an die KMK gewandt hat, dann sage ich: Sehr geehrte Frau Generalkonsulin, wenn Sie mich hören, bitte beachten auch Sie in Ihren öffentlichen Äußerungen internationales Recht. Denn die Flüchtlingskonvention führt in Artikel 22 im Bereich öffentliche Erziehung aus: „Die vertragsschließenden Staaten werden den Flüchtlingen dieselbe Behandlung wie ihren Staatsangehörigen hinsichtlich des Unterrichts in Schulen gewähren.“ – Punkt. Das ist internationales Recht.

 

Zweitens, die UN-Kinderrechtskonvention – von der Bundesrepublik natürlich anerkannt und ich glaube, auch von der Ukraine – führt in Artikel 28 aus: „Die Vertragsstaaten erkennen das Recht des Kindes auf Bildung an; um die Verwirklichung dieses Rechts auf der Grundlage der Chancengleichheit fortschreitend zu erreichen, werden sie […] den Besuch der Grundschule für alle zur Pflicht und unentgeltlich machen“ – des Weiteren auch die Berufs- und Bildungsberatung.

 

Drittens – rein formal – ist im Thüringer Schulgesetz in § 1 das Recht auf diskriminierungsfreie schulische Bildung und Förderung und in § 2 umfänglich –einfach mal lesen – der Bildungsauftrag beschrieben. In § 17 wird die Schulpflicht beschrieben. Dort steht, alle Kinder, die zu uns kommen, auch aus Drittstaaten, aus anderen Staaten sind nach drei Monaten schulpflichtig. Und wir haben extra das Feststellungsverfahren in Absatz 4 2019 umfangreich neu geregelt, nämlich dass die Kinder auf dem Niveau geschult werden, das bei ihnen festgestellt wird, auf Grundlage unserer Lehrpläne.

Also Ihr Antrag und Ihr Ansinnen ist schlicht und einfach rechtswidrig und damit hinfällig. Damit kann man es ja eigentlich bewenden lassen, aber ich will natürlich auch politisch argumentieren. Unsere Kindergärten und Schulen stellen sich, meine sehr geehrten Damen und Herren, den Herausforderungen der Integration, Betreuung und Beschulung aller Kinder, insbesondere mit Fluchtbiografie. Ich kann mich da dem Dank von Kollegin Baum nur anschließen. Die Erfahrungen, die Netzwerke, das DaZ-Personal, die Materialien, die seit 2015 erstellt wurden und vorhanden sind, sind dabei äußerst hilfreich. Kinder mit Fluchtbiografie werden entsprechend ihres Wohnorts wohnortnah beschult. Das ist ganz wesentlich. Wenn man sich Ihren Antrag durchliest, wie soll denn das überhaupt gehen? Da haben Sie sich wahrscheinlich noch nicht mal Gedanken gemacht.

 

Der Landtag hat in seiner 6. Legislatur den von den Koalitionsfraktionen eingebrachten Antrag „Verbesserung der Beschulung von zugewanderten und geflüchteten Kindern und Jugendlichen“ beschlossen. Die CDU hatte damals auch einen Antrag mit einer anderen Schwerpunktsetzung, aber ich denke, das, was dort beschlossen worden ist, ist immer noch Grundlage unserer Handlung. Die Landesregierung hat umfangreiche Materialien für Familien in ukrainischer Sprache zur Verfügung gestellt. Das findet man auch im Netz. Auch werden die Materialien zur Sprachförderung für geflüchtete Schülerinnen und Schüler ständig weiterentwickelt. Die ukrainischen Schülerinnen und Schüler sind in ganz Thüringen an den Schulen verteilt. Weder sind Lehrkräfte befähigt noch beauftragt, ukrainische Lehrpläne umzusetzen. Tatsächlich finden die Thüringer Lehrpläne zum Beispiel an den Goethe-Instituten weltweit Anwendung. Ich denke, das spricht doch für die Qualität unserer Lehrpläne.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Abschlüsse und Übergänge werden nur gefördert, wenn Kinder vergleichbar gebildet und auch gefördert werden. Also wie soll denn das bitte schön funktionieren von der Klassenstufe vier auf die weiterführenden Schulen? Da bleiben Sie völlig im Vagen – muss Sie auch nicht interessieren, von Bildungspolitik haben Sie eh keine Ahnung.

Mit der Separation von Kindern in KiTa- und Schulalltag werden wir weder dem allgemeinen Bildungsauftrag gerecht noch den Wünschen und Erwartungen der Familien, die vor dem verbrecherischen Angriffskrieg Putins und seinen Oligarchen geflohen sind. Denn wie wir wissen, können sich gut ein Drittel der Menschen, die zu uns gekommen sind, vorstellen, auch dauerhaft in Deutschland zu leben. Das wollen Sie ja gerade vermeiden, das ist ja Ihr Anliegen. Diese Menschen sind uns herzlich willkommen. Wir brauchen sie dringend. Viele von uns kennen die vielen positiven Beispiele der Integration von geflüchteten Menschen in unser Bildungssystem und auf dem Arbeitsmarkt – die AfD natürlich nicht. Diese völkisch und rechtsradikal geprägte Fraktion möchte durch die Verhinderung der Integration Konflikte in der Gesellschaft schüren nach ihrem selbstgewählten Anspruch, wenn es dem Land schlecht geht, geht es der AfD gut. Ihre rassistisch-völkische Ideologie, die Sie mit Ihrem Antrag wieder einmal dokumentieren, findet weder hier im Haus noch in der Gesellschaft eine Mehrheit. Wir lehnen Ihren Antrag aus voller Überzeugung ab. Vielen Dank, meine Damen und Herren.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dateien