Beratung zu dem Bericht des Untersuchungsausschusses 7/3 „Politische Gewalt: Umfang, Strukturen und politisch-gesellschaftliches Umfeld politisch motivierter Gewaltkriminalität in Thüringen und Maßnahmen zu ihrer Eindämmung“

Katharina König-Preuss

Bericht des Untersuchungsausschusses 7/3 - Drucksache 7/10212

 

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen, liebe Zuschauer/-innen auf der Tribüne und auch diejenigen am Livestream, es ist jetzt hier von den Kolleginnen der demokratischen Fraktionen viel Richtiges gesagt worden. Der Untersuchungsausschuss, der über zwei Jahre getagt hat – das will ich am Anfang vorwegstellen – war – und da hat die SPD fast exakt die Begrifflichkeit aus unserem Sondervotum verwendet – am Ende nur dafür gedacht, im Zuge eines möglichen Wahlkampfs noch mal ein Spektakel zu inszenieren. Der Untersuchungsausschuss – das wurde jetzt unterstellt – hätte sich nur mit Rechtsextremismus oder vorrangig mit extrem rechten Strukturen beschäftigt. Er hat das vor allem deswegen gemacht, weil Thüringen seit Jahrzehnten von extrem rechten Strukturen geprägt ist.

 

Herr Mohring hat hier gerade unter anderem auf den NSU-Komplex abgehoben und dabei erwähnt, dass die Behörden damals die Entwicklung nicht ausreichend im Blick hätten haben können und wo die Straftaten zu verorten sind. Herr Mohring, ich möchte Ihnen wirklich dringend ans Herz legen, die zwei Abschlussberichte der beiden NSU-Untersuchungsausschüsse zu lesen,

 

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

weil dort einheitlich festgestellt wurde, dass sie es sehr wohl im Blick hatten und dass, wenn alle Informationen, die in den Sicherheitsbehörden vorlagen, damals auch den Ermittlungsführenden hier in Thüringen zur Verfügung gestellt worden wären, die Taten und die Morde des NSU hätten verhindert werden können.

 

Genauso ist in diesen beiden Abschlussberichten der beiden NSU-Untersuchungsausschüsse festgestellt worden, dass es weder Fehler oder Ähnliches waren, die das Ganze sozusagen mit ermöglicht haben, sondern ein einziges Desaster. Wir haben zumindest im ersten Abschlussbericht auch davon gesprochen, dass wir den Anfangsverdacht einer gezielten Sabotage der Sicherheitsbehörden nicht ausschließen können. An der Stelle wäre es gut, wenn sich die CDU in der Reflektion auf das eigene Agieren in den 90er-, 2000er- und auch heutigen Jahren begibt, inwieweit denn extrem rechte Strukturen adäquat wahrgenommen und dann eben auch bekämpft werden.

 

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Ziel dieses Untersuchungsausschusses 7/3 – ich habe hier vorn unser Sondervotum liegen, es ist mehr als 100 Seiten stark – war es, linke Strukturen zu diskreditieren, Zivilgesellschaft in den Fokus zu nehmen und diese auch zu kriminalisieren. Das kann man relativ einfach erkennen, wenn man sich den Einsetzungsantrag der CDU durchliest, was wollte die CDU in den Fokus nehmen und worum ging es ihr. Es ist uns gelungen – und dafür ein riesengroßes Dankeschön an meine Kolleginnen Denny Möller, Madeleine Henfling – zumindest in der ersten Phase – und dann auch Laura Wahl, genau das abzuwehren und auch deutlich zu machen, wo in Thüringen das Problem besteht, nämlich in der Tiefenverankerung, der Tiefenvernetzung – bis in eine extrem rechte Partei, die hier im Landtag sitzt – von extrem rechten Strukturen.

 

Es ist uns auch gelungen, deutlich zu machen, wie die Überschneidungen, die ideologischen Verbindungen zwischen diesen extrem rechten Strukturen sind, wer da welche Rolle spielt und auch, was die konkreten Taten sind.

 

Es ist schon angesprochen worden, dass wir hier in Thüringen mehrere Todesfälle durch rechte Gewalt haben, die bisher als solches nicht anerkannt sind. Ich weiß, dass die Studie zu den Todesopfern rechter Gewalt längst fertiggestellt ist, aber immer noch nicht durch das Innenministerium vorgelegt wurde, um endlich auch weitere Todesopfer rechter Gewalt anzuerkennen. Wir halten das für notwendig und wir halten das vor allem deswegen für notwendig, weil es für die Angehörigen oftmals auch die Möglichkeit bietet, einen Abschluss zu finden in ihrer Trauer und ihren Fragen, warum das geschehen ist.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Es gibt – und das ist im Abschlussbericht übrigens auch im Sachteil bereits so festgehalten worden – keinen einzigen Beleg für die von der CDU übernommene Behauptung, dass es eine neue Bildung von linksextremen oder gar linksterroristischen Strukturen in Thüringen gäbe. „Übernommene Behauptung“ sage ich deswegen, denn das Ganze geht zurück auf mal wieder eine mediale Äußerung des Thüringer Verfassungsschutzpräsidenten, der das gegenüber dpa Ende Mai 2021 so erklärt hat. Das griff dann die CDU auf, um im Juni 2021 uns diesen Untersuchungsausschuss hier im Thüringer Landtag zu bescheren.

 

Am Ende war der Untersuchungsausschuss vor allem eines, nämlich eine kostenfreie Weiterbildung für die CDU bzw. die Mitglieder der CDU, die in diesem Untersuchungsausschuss saßen und darüber endlich mal erfahren haben, wie tief, wie weit, wie breit, welche Formen dieser rechten und extrem rechten Strukturen, antisemitischer Bewegungen, Verschwörungsinszenierungen und Ähnliches, weitere Reichsbürger es hier in Thüringen gibt.

 

„Kostenfreie Weiterbildung“ sage ich auch deswegen, weil wir eine Vielzahl von Expertinnen, Sachverständigen angehört haben, die Koryphäen auf ihrem Gebiet sind. Das, was hier zum Teil durch die extrem rechte Partei in ihrem Sondervotum dargestellt wurde, ist am Ende nichts als der Versuch, diese Sachverständigen zu diskreditieren, die uns großartige Informationen zur Verfügung gestellt und uns im Übrigen auch sehr deutlich gemacht haben, dass der Antisemitismus eben nicht auf eine Struktur beschränkt ist. Nur mal so – Klammer auf –: Wir haben das nie behauptet, dass der Antisemitismus nur auf eine politische Struktur beschränkt ist, wir haben immer gesagt, dass Antisemitismus in seiner Gesamtheit überall und jederzeit ein Problem ist und man dagegen auch vorgehen muss.

 

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Wir haben zahlreiche Belege für rechtsterroristische Strukturen gefunden bzw. erneut bestätigt bekommen, die so im Untersuchungsausschuss auch zum Teil deswegen, weil die Taten nach dem Untersuchungsausschusszeitraum lagen, gar nicht konkreter behandelt werden konnten. Das ist einer der Gründe, warum wir dafür plädieren, in der kommenden Legislatur einen Untersuchungsausschuss Rechtsterrorismus einzurichten, weil es notwendig ist, herauszufinden, was ist denn in Thüringen los, dass bei so gut wie jeder bundesweiten Durchsuchungsmaßnahme gegen rechtsterroristische Strukturen hier in Thüringen die Maßnahmen mit stattfinden, hier unter anderem Nazistrukturen ausgehoben werden, die planen, Waffen zu beschaffen, die teils schon Waffen herstellen und die unter anderem bereits ganz konkrete Tötungsabsichten gegen vermeintliche oder auch wirkliche politische Gegner haben.

 

Wir sagen, es kann nicht sein, dass wir das einfach so hinnehmen, anstelle uns damit gezielt konsequent auseinanderzusetzen und das vor allem auch deswegen, weil es kein adäquates Vorgehen der zuständigen Sicherheitsbehörden gibt, bis heute nicht.

Das sage ich auch deswegen, weil hier unter anderem „Knockout 51“ erwähnt wurde. Vorhin, als es um die Parlamentarische Kontrollkommission ging, wurde plötzlich die Artgemeinschaft erwähnt. „Knockout 51“ konnte über Jahre machen, was sie wollten. Warnungen von Antifaschistinnen sind nicht ernst genommen worden. Gegen „Knockout 51“ wurde erst dann vorgegangen, als das Bundeskriminalamt, Generalbundesanwaltschaft sich eingeschaltet hat. Hier in Thüringen hat man sie gewähren lassen. Mit allen Konsequenzen, die dazugehören, mit Bedrohungen, mit Übergriffen, mit verletzten Menschen in Eisenach, die sich antifaschistisch engagieren.

So will ich an der Stelle ganz klar sagen: ein riesengroßes Dankeschön an die antifaschistischen Strukturen, die durchhalten, trotzdem sie viel zu selten Unterstützung erfahren,

 

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

oftmals eben auch mitbekommen, dass diejenigen, die zuständig wären, extrem rechte Gewalt zurückzudrängen, dies nicht machen, sondern eher in eine Art Zuschauermodus verfallen. Das ist zumindest das, was man bei „Knockout 51“ leider feststellen muss. Viel zu spät wurde eingegriffen. Viel zu spät wurden die konkreten Personen dann auch in Haft genommen.

 

Ich will mich in einem Punkt – nein, in mehreren Punkten, aber in einem Punkt konkret – Herrn Walk anschließen: Uns wurden die Akten, die wir benötigt hätten, insbesondere durch das Innenministerium nicht geliefert. Die Akten wurden uns unter anderem deswegen nicht geliefert, weil im Gegensatz zum Bundeskriminalamt das Thüringer Innenministerium der Auffassung war, dass bestimmte Akten zu Thorsten Heise, dem Spiritus Rector der extrem rechten Szene, Combat 18, Blood & Honour, arische Bruderschaft, ich weiß gar nicht, was ich noch alles erwähnen muss, nicht vom Untersuchungsausschussauftrag gedeckt wären. Bei Thorsten Heise nicht gedeckt! Das Bundeskriminalamt sagt, ja, sie stellen die uns zur Verfügung, wir können die haben. Thüringen sagt, nein, ihr kriegt die nicht. Und an der Stelle sage ich, das war definitiv eine Behinderung der Aufklärungsarbeit im Untersuchungsausschuss. Das ist etwas, was wir so zurückweisen und ehrlicherweise auch sagen müssen. Es hat nichts mit Aufklärung zu tun, es hat nichts damit zu tun, was man gern nach außen erklärt, man würde so aktiv und engagiert gegen rechts vorgehen, wenn man dann die Akten nicht zur Verfügung stellt.

Ein letzter Punkt: Leider hat die CDU gemeinsam mit der AfD durchgesetzt, dass im Abschlussbericht keine Namen mehr erwähnt werden. Und so wird nicht mehr daran erinnert, dass Dr. Walter Lübcke ermordet wurde, sondern es wird jetzt erwähnt, dass Dr. 3.120 ermordet wurde. Ich glaube, dass es absolut nicht okay ist, Menschen mit Namen auszustatten. Ich glaube, es wäre wichtig, gerade im Hinblick auf Opfer rechte und rassistische Gewalt zu benennen. Genauso wäre es aber wichtig, wenn man Nazis benennt, insbesondere, wenn sie solche Führungspersonen sind wie Thorsten Heise, der im Übrigen im Abschlussbericht dann auch eine Kennzahl bekommen hat, nämlich die 189. Wir benennen Nazis weiterhin und wir werden dies auch in der kommenden Legislatur machen, hoffentlich in einem Untersuchungsausschuss. Herzlichen Dank.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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