Instrument der parlamentarischen Kontrolle fällt zusammen wie ein Kartenhaus
"Immer mehr Eingriffsbefugnisse in Grundrechte wurden damit gerechtfertigt, dass es eine richterliche wie parlamentarische Kontrolle gibt, die einen grenzenlosen Einsatz dieser Instrumente eindämmen soll. Nun stellt sich heraus, dass nicht nur bei den Geheimdiensten eine wirksame Kontrolle nicht stattgefunden hat und auch faktisch nicht möglich ist", kommentiert die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Martina Renner, die heute durch das Thüringer Innenministerium korrigierte Anzahl der in den Jahren 2007 bis 2010 von der Polizei durchgeführten Telekommunikationsüberwachungen (TKÜ).
Insgesamt gab es 21 zusätzliche TKÜ-Maßnahmen als bisher in den Berichten an den Landtag aufgeführt. "Dass unter den nicht gemeldeten TKÜ-Maßnahmen allein 17 echte Inhaltsüberwachungen zum Teil über mehrere hundert Tage sind und die Korrekturen einige Jahre betreffen, lässt nicht an ein Missverständnis oder Versehen glauben", so Renner weiter. "Es wird ein immer weitergehender Grundrechtseingriff durch V-Personen und technische Überwachungsmaßnahmen der Geheimdienste und der Polizei deutlich, der quasi der öffentlichen Kontrolle entzogen ist."
Dass vielfach Benachrichtigungen der von den Überwachungsmaßnahmen Betroffenen unterblieben, zeige ebenso deutlich, dass eine nachträgliche gerichtliche Überprüfung de facto nicht möglich sei. Als besonders bedenklich bezeichnete es die LINKE Innenpolitikerin, dass durch die Polizei ausweislich der Mitteilung des Innenministeriums allein aufgrund von "Annahmen" ein Info-Telefon für eine versammlungsrechtlich geschützte Veranstaltung gegen einen NPD-Aufmarsch mitgehört wurde. Allerdings verwundere es sie nicht, dass nach den Abhörskandalen in Dresden das Thüringer Innenministerium seine Überwachungsmaßnahme vor der Öffentlichkeit und den Betroffenen geheim halten wollte.
Frau Renner wolle aber nun nicht etwa eine Diskussion über verbesserte Kontrollmechanismen führen: "Das Instrument der parlamentarischen Kontrolle fällt zusammen wie ein Kartenhaus. Wir brauchen eine politische Debatte, an deren Ende steht, dass die staatlichen Eingriffsbefugnisse wieder auf ein verhältnismäßiges Maß zurückgeschraubt werden. Das trifft besonders auch auf die Eingriffsbefugnisse der Polizei zur Gefahrenabwehr im Rahmen des Polizeiaufgabengesetzes zu."