Dieser Krieg muss beendet werden. Sofort.

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Dieser Krieg muss beendet werden. Sofort.

Erklärung der Vorsitzenden der Partei DIE LINKE. Thüringen, Ulrike Grosse-Röthig und Christian Schaft, sowie des Vorsitzenden der Fraktion DIE LINKE im Thüringer Landtag, Steffen Dittes aus Anlass des 24. Februar 2023

Eine Gewöhnung an den Krieg darf es nicht geben. Nicht ein Jahr nach dem verbrecherischen Überfall Russlands auf die Ukraine. Nicht später. Niemals.
 

Der Krieg mordete zehntausende Menschen und zerstörte die Lebensgrundlage von Millionen Menschen. Ein Fortdauern des Krieges bedeutet, dass das Töten und Zerstören fortgesetzt wird, dass das vielfache Leid für die in der Ukraine lebenden Menschen kein Ende findet, dass junge Menschen weiter als Soldaten – ob gezwungen oder freiwillig – im Krieg ihr Leben lassen, dass Millionen geflüchtete Menschen nicht nach Hause zurückkehren können, dass bedürftige Menschen nicht ausreichend mit Getreide aus der Ukraine versorgt werden können, dass Staaten weiter militärisch aufrüsten und die nukleare Bedrohung von der einstigen Abschreckungsdoktrin zur realen Gefahr wird.
 

Der Aggressor Russland ist jederzeit und alleinig in der Lage, den russischen Krieg gegen die Ukraine zu beenden und seine Armee und Söldnergruppen aus der Ukraine zurückzuziehen. Dieser Krieg muss beendet werden. Sofort.
 

Im Krieg sind die Menschen in der Ukraine die Opfer. Sie haben das Recht, sich gegen die völkerrechtswidrige Aggression zur Wehr zu setzen. Sie haben auch das Recht, sich dem Krieg durch Flucht zu entziehen. Auch jeder russische Soldat, der sich dem Krieg verweigert, muss den Schutz außerhalb Russlands erhalten.
 

Es ist nicht nur eine Frage des Völkerrechts, ob die Bundesrepublik Deutschland Kriegsbeteiligter ist oder nicht. Menschen weit über die Ukraine hinaus sind durch die humanitäre Aufnahme von Geflüchteten, durch den Mangel an Getreideversorgung, durch die Auswirkungen auf Lebensmittel- und Energiepreise, durch die Aufrüstungsentscheidungen und durch die das persönliche Leben beeinflussende Bedrohungspotential längst zu mittelbar Betroffenen geworden. Die Staaten, in denen sie leben, haben durch Sanktionen, Waffenlieferungen, politische Resolutionen und auch durch Versuche der Diplomatie Verantwortung in diesem Krieg und für die von diesem Krieg betroffenen Menschen übernommen.
 

Die individuelle Haltung zur Frage der Lieferung von Waffen aus der Bundesrepublik an die Ukraine ist eine von vielen historischen, politischen, strategischen und auch sehr persönlichen Faktoren abhängige, die jede:r für sich mit dem unbestrittenen Selbstverteidigungsrecht der in der Ukraine lebenden Menschen abwägen muss. Und keine:r ist dafür zu verurteilen, in dieser keinesfalls einfachen oder eindeutigen Frage eine Meinung gefunden zu haben. Diejenigen, die sich gegen die Beteiligung der Bundesrepublik an Waffenlieferungen aussprechen, sind vor die Frage gestellt, wie der Weg hin zu einem Ende des Krieges über Verhandlungen möglich werden kann, wenn der Aggressor zu keinerlei Verhandlungen bereit ist. Und diejenigen, die sich für die Lieferung von Waffen aussprechen und somit einen militärischen Sieg der Ukraine gegen Russland anstreben, müssen sich fragen lassen, wie, wann und zu welchem Preis der angestrebte militärische Sieg über die Nuklearmacht Russland zu erreichen ist?
 

Wir stehen solidarisch an der Seite der Menschen und streiten für deren elementarstes Menschenrecht. Das Recht auf Leben kann aber nur gewahrt werden, wenn keine Raketen, Bomben, Panzer und Geschütze mehr zum Einsatz kommen. Ein sofortiger Waffenstillstand bedeutet noch lange keinen Frieden für die Menschen in der Ukraine. Frieden herrscht erst, wenn Menschen ohne Angst und in sozialer, ökonomischer und politischer Freiheit leben können, ihre Kultur entsprechend ihrer individuellen Bedürfnisse pflegen, ihre Sprache sprechen können. Aber ein Waffenstillstand ist immer der notwendige erste Schritt, der zu einem Ende des Krieges und weiter zum Aufbau einer Friedensordnung führen kann. Ohne einen Waffenstillstand zu Beginn aber wird es keinen Frieden geben.
 

Uns sorgt, dass sowohl in der internationalen als auch der bundesrepublikanischen Politik, spür- und wahrnehmbar militärische Logiken und Ziele die Oberhand über den Wunsch nach einem schnellen Ende des Krieges gewonnen haben und zur Grundlage politischer Entscheidungen geworden sind. Oder anders: Wir erkennen nicht mehr, welche Wege von Diplomatie und Verhandlung die internationale Staatengemeinschaft unabhängig der unbestrittenen Hauptverantwortung Russlands selbst sucht, die Waffen zum Schweigen zu bringen. Daraus leitet sich unsere Sorge weiterer Eskalationen ab, die um ein Vielfaches höheres Leid den Menschen in der Ukraine und weit darüber hinaus bringen werden und im Falle eines nuklearen Angriffs auch das Leben weltweit existenziell gefährden.
 

Diese Sorge teilen wir mit vielen Menschen, nicht nur in Thüringen. Es ist ebenso legitim wie notwendig, für Diplomatie und Verhandlungen, für Friedens- statt Militärlogik, für das Ende des Krieges und für den Frieden das Wort öffentlich zu erheben oder auf Veranstaltungen, Kundgebungen und Demonstrationen einzutreten. Wer dies - wie etwa der Philosoph Jürgen Habermas am 14. Februar in der Süddeutschen Zeitung - verantwortungsvoll tut, bedarf politischer wie medialer Beachtung. Aus einer nach einem schnellen Ende des Tötens und Zerstörens suchenden Position die Unterstellung abzuleiten, einseitig für den russischen Aggressor Partei zu ergreifen, bedeutet hingegen das Ende von Politik und nichtmilitärischen Lösungen im Fall des Bruchs des Völkerrechts.
 

Keine mit einer Friedenspartei vereinbaren Positionierung ist es aber, seine Position gegen den Krieg aus nationalen Interessen einer Volksgemeinschaft abzuleiten oder mit dem unbestritten komplexen historischen, geostrategischen, politischen und ökonomischen Bedingungsgefüge eine Täter-Opfer-Umkehr bei der Frage des völkerrechtswidrigen Überfalls Russland zu erklären oder gar zu rechtfertigen.
Ebenso unvereinbar ist es, mit denen gemeinsame Sache zu machen, die neben dem internationalen Völkerrecht, die Grund- und Menschenrechte als Grundlage für ein friedliches Zusammenleben, tagtäglich in Frage stellen sowie Freiheit und Demokratie verbal und tätlich angreifen. Wer sich der Gefahr der Instrumentalisierung nicht aussetzen will, findet klare und unmissverständliche Worte der Abgrenzung. Denn wer für den Frieden eintritt, demonstriert gegen die extreme Rechte und nicht mit ihnen an der Seite.
 

Für uns gilt unverändert, was die Fraktion DIE LINKE im Thüringer Landtag am 24. Februar 2022 öffentlich erklärt haben: „Der Angriff Russlands auf die Ukraine ist ein in jeder Hinsicht illegitimer Akt der Aggression, der zeigt, zu welcher Konsequenz Nationalismus und imperiales Großmachtdenken immer führen. Mit dieser militärischen Eskalation hat ein Krieg in einem über viele Jahrzehnte kaum vorstellbaren Ausmaß in Europa begonnen, dessen Ausbreitung und Folgen unvorhersehbar sind. ... Unsere Solidarität und Unterstützung gilt denjenigen, die sich – auch und insbesondere in Russland - für das sofortige Ende des Angriffes und für den Frieden einsetzen.“

 


 

Die Erklärung finden Sie auch als PDF-Dokument zum Download.

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