Überwachungsstaat durch die Hintertür: Die Linke warnt vor massiver Grundrechtsverschiebung durch Polizeigesetz-Novelle

Ronald Hande

Anlässlich der geplanten Novelle des Thüringer Polizeiaufgabengesetzes (PAG) und des heute vorgestellten Referentenentwurfs durch den Innenminister erklärt Ronald Hande, innenpolitischer Sprecher der Fraktion Die Linke im Thüringer Landtag: “Die Landesregierung betont öffentlich vor allem einen verbesserten Opferschutz, verschweigt dabei jedoch, was tatsächlich im Gesetzentwurf steckt: ein massiver Ausbau polizeilicher Überwachungs- und Eingriffsbefugnisse gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern Thüringens und das teils völlig unverhältnismäßig und ohne angemessene Kontrollmechanismen.”

Hande weiter: „Es droht eine erhebliche Ausweitung durch KI-gestützte Kameraüberwachung und Verhaltensanalyse im öffentlichen Raum, ohne dass klar definiert wird, was unter ‚auffälligem Verhalten‘ zu verstehen ist. Damit geraten auch Menschen ins Visier, die sich nichts haben zuschulden kommen lassen. Ebenso ist die geplante Einführung elektronischer Fußfesseln hoch problematisch: Diese sollen künftig auch ohne klar definierte Gefahrenlage eingesetzt werden, längst nicht nur bei Partnerschaftsgewalt. Künftig soll es möglich sein, einem mutmaßlichen Verdächtigen, dem man unterstellt, er könnte in einem rechtlich völlig unbestimmten ‚übersehbaren Zeitraum‘ eine Straftat, z.B. eine gefährliche Körperverletzung begehen, eine elektronische Fußfessel anzulegen und ihn permanent zu überwachen und das allein auf eine polizeiliche Entscheidung hin: ohne die konkrete Tat, ohne Prozess und ohne richterlichen Beschluss. Das wäre mit diesem Gesetzentwurf bspw. auch gegen Mitglieder der Fußballfanszene von Rot-Weiß-Erfurt oder Carl Zeiss Jena in der Annahme von Fanauseinandersetzung denkbar und das halten wir für rechtsstaatlich hoch problematisch.”

Hande ergänzt: „Selbstverständlich braucht es eine Modernisierung des Polizeirechts. Doch der vorgelegte Entwurf schießt an vielen Stellen deutlich über das Ziel hinaus, etwa wenn Gesichter der Bürger und ihre Stimmen im Internet nun per automatisierter Datenanalyse biometrisch ausgewertet werden sollen, aber auch diverse Vorratsdatensammlungen stellen einen gravierenden Eingriff in die Grundrechte dar. Besonders kritisch ist auch der geplante Einsatz von Elektroschockwaffen gegen Menschen – sogenannte Taser, deren Anwendung in den USA bereits zu tausenden Todesfällen geführt hat. Damit würden in Thüringen künftig bis zu 10 Metallpfeile mit Widerhaken aus einer Waffe mit 225kmh etwa 1,5 cm tief in den Körper der Menschen geschossen und anschließend 1.000 bis 50.000 Volt Strom durchgeleitet werden können.”  

Hande kritisiert das Verfahren: „Wir haben es mit erheblichen Grundrechtseinschränkungen zu tun, auch was verdeckte Ermittlungen angeht, z.B. beim Einsatz von V-Personen. Die Regierungskoalition regelt ihren Einsatz völlig unzureichend und hat ein Kontrollinstrument vergessen. Weder Gericht noch Parlament sollen diesen krassen Eingriff kontrollieren, anders als beim Geheimdienst. Das ist kein guter Start für eine grundlegende Reform. Wenn die Landesregierung einen mangelhaften Gesetzentwurf im Eilverfahren durchpeitschen will und das vereinbarte prälegislative Konsultationsverfahren umgeht, obwohl sie über keine eigene Mehrheit verfügt, dann wird deutlich, wie wenig Interesse an einem sorgfältigen Gesetzgebungsprozess besteht. Das wird dem hohen verfassungsrechtlichen Wert der Grundrechte nicht gerecht.”

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