Fahren ohne Fahrschein nicht mehr zur Anzeige bringen
Nach einem Antrag der Linken in der Potsdamer Stadtverordnetenversammlung verzichten auch die städtischen Verkehrsbetriebe in Potsdam – wie schon andere Städte in Deutschland – nun seit Anfang Juli 2024 auf Strafanzeigen bei Fahrten ohne gültigen Fahrschein. Lena Saniye Güngör, Mitglied in der Thüringer Strafvollzugskommission, sieht darin ein Vorbild auch für Thüringer Kommunen: „Die damit einhergehende Kriminalisierung der Betroffenen ist unverhältnismäßig. Zudem verursacht die strafrechtliche Verfolgung von Fahrten ohne Ticket erhebliche Kosten und einen hohen Verwaltungsaufwand.“
Insbesondere sozial benachteiligte Menschen können sich oft keinen Fahrschein für den öffentlichen Personennahverkehr leisten, sind aber auf den ÖPNV angewiesen, um beispielsweise Behörden, Sozialdienste oder medizinische Einrichtungen zu erreichen. Wird jemand beim Fahren ohne Fahrschein erwischt und kann das erhöhte Beförderungsentgelt von 60 Euro nicht zahlen, folgt in der Regel eine Strafanzeige. „Selbst wenn nur eine Geldstrafe verhängt wird, ist es für Wohnungslose oder Suchtkranke unmöglich, diese zu bezahlen oder abzuarbeiten. Letztlich müssen diese Menschen möglicherweise eine Ersatzfreiheitsstrafe absitzen. Solange der Bund das Fahren ohne Ticket weiterhin unter Strafe stellt, appelliere ich an alle Kommunen, die bestehenden Möglichkeiten auszuschöpfen, um das Fahren ohne Fahrschein nicht zur Anzeige zu bringen“, so Güngör. Dieser zurückhaltende Umgang mit der strafrechtlichen Verfolgung durch die Justiz würde letztlich auch die Gerichte deutlich entlasten.
Lena Saniye Güngör, Abgeordnete aus Jena, einer Stadt, in der das beschriebene Problem häufig auftritt, wird als Stadträtin gemeinsam mit ihrer Fraktion einen entsprechenden Antrag im Stadtrat einbringen.
Abschließend weist die Linke-Abgeordnete Güngör darauf hin, dass sich die Landesregierung von Ministerpräsident Bodo Ramelow seit Jahren im Bundesrat dafür einsetzt, das unerlaubte Fahren ohne Ticket von einer Straftat zur Ordnungswidrigkeit herabzustufen. Der entsprechende Gesetzesantrag zur Änderung des Strafgesetzbuchs und des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten hat im Bundesrat jedoch bislang keine Mehrheit gefunden.