Wer suchtkrank ist, braucht Solidarität, Zugang und Perspektive
Am 26. Juni ist Internationaler Tag gegen Drogenmissbrauch und unerlaubten Suchtstoffverkehr. Die Vereinten Nationen rufen mit dem diesjährigen Motto „Die Ketten sprengen: Prävention, Behandlung und Genesung für alle!“ dazu auf, die gesellschaftlichen, institutionellen und rechtlichen Fesseln zu durchbrechen, die bis heute eine menschenrechtsbasierte Drogenpolitik verhindern. Linda Stark, sucht- und drogenpolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke im Thüringer Landtag, erklärt dazu: „Es geht um nichts Geringeres als das Recht auf ein gutes Leben – auch für Menschen, die konsumieren. Sucht ist keine moralische Kategorie. Wer abhängig ist, braucht kein Urteil, sondern Zugang zu Hilfe, zu Beratung und zu Schutz sowie die Anerkennung seiner Würde.“
Die Vorstellung, Sucht sei ein Ausdruck persönlicher Schwäche oder Charaktermangel, sei nach heutigem Wissensstand nicht haltbar. Weder ließe sich Sucht auf individuelle Schuld reduzieren, noch sinnvoll unter dem Begriff der „Verfehlung“ führen. Vielmehr handle es sich um ein komplexes Zusammenspiel neurobiologischer, psychologischer und sozialer Faktoren, das sich jeder einfachen moralischen Zuschreibung entzieht. In diesem Sinne ist auch die Kriminalisierung von Konsumierenden nicht nur unzeitgemäß, sondern konzeptionell verfehlt: Sie verwechselt Symptome mit Ursachen und individuelle Handlung mit systemischer Bedingtheit. Doch Menschen in Suchtkonflikten sind eben nicht schlicht „willensschwach“, sondern häufig in einem Zustand struktureller Überforderung, in dem das bessere Wissen nicht gegen das unmittelbare Verlangen durchdringt. „Eine gerechte Gesellschaft zieht daraus keine Schuldzuweisung, sondern eine Verpflichtung zur Hilfe“, unterstreicht die Fachpolitikerin.
„Wenn die Vereinten Nationen in diesem Jahr fordern, die Ketten zu sprengen, dann sollten wir sie nicht durch Paragrafen ersetzen. Dann“, so Stark weiter, „sollten wir sie wirklich sprengen: mit einer Drogenpolitik, die evidenzbasiert ist, gerecht und menschlich.“
Dazu gehöre laut der Abgeordneten auch, Sucht als das zu behandeln, was sie in vielen Fällen ist: eine medizinisch beschreibbare Krankheit, aber eben auch eine gesellschaftlich produzierte. „Wer als ‚süchtig‘ etikettiert wird“, so Stark, „erlebt sich anders, wird anders adressiert und handelt auch anders. Eine entstigmatisierende, akzeptierende Drogenpolitik verändert damit nicht nur Diskurse, sondern auch das Erleben und Verhalten von Menschen. Deshalb sei es nicht nebensächlich, sondern entscheidend, wie wir sprechen und handeln.
„Thüringen braucht eine Drogenpolitik, die auf Einsicht beruht, nicht auf ideologischem Reflex. Das bedeutet konkret: Zugang zu Substitution und Betreuung auch im ländlichen Raum. Aufklärung, die nicht abschreckt, sondern befähigt. Und eine Polizei, die schützt, nicht kontrolliert, verhaftet oder schikaniert. Ein menschenwürdiger Umgang mit Sucht beginnt damit, dass Betroffene nicht weiter stigmatisiert, sondern begleitet werden“, so die Abgeordnete abschließend.