Zwischenbilanz zum Untersuchungsausschuss:

Am 3. Mai 2022 trat erstmals  der Untersuchungsausschuss 7/3 „Politisch motivierte Gewaltkriminalität“ im Thüringer Landtag zusammen. Seither thematisieren die Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE im Thüringer Landtag - Katharina König-Preuss, Christian Schaft und Sascha Bilay, die Gefahr der extremen Rechten in Thüringen und analysieren den staatlichen Umgang mit ihr in den letzten 10 Jahren . Zur Halbzeit des Untersuchungsausschusses ist es nach einem Jahr Zeit für eine Zwischenbilanz.

Scharfe Schwerter und steile Thesen

Zunächst ist ein Schritt zurück  notwendig. Im Juli 2021, zu einem Zeitpunkt als alle Zeichen noch auf baldige Neuwahlen standen, nutzte  die CDU ihr Minderheitenrecht, um einen Untersuchungsausschuss  einzusetzen. Bereits damals löste der Antrag Kopfschütteln aus. Es war zu vermuten, dass es sich eher um ein Wahlkampfinstrument als ein tatsächliches Untersuchungsinteresse handelte. Das viel beschworene „schärfste Schwert des Parlaments“ wäre in der knappen verbleibenden Zeit kaum arbeitsfähig gewesen - zumal da der von der CDU verfasste Untersuchungsauftrag einem innen- und sicherheitspolitischen Rundumschlag gleichkommt, dem es an konkreten und abgrenzbaren Fragen fast vollständig mangelt. Stattdessen finden sich dort eine Reihe steiler Thesen über angeblich lange schon vorhandene „linksterroristische Ansätze“ in Thüringen, verbunden mit der Unterstellung, die Arbeit und das Engagement der Menschen in der demokratischen und antifaschistischen Zivilgesellschaft in Thüringen diene nur dazu, die Polizei in Zweifel zu ziehen und würde insgeheim sogar linke Gewalt fördern.

Die Arbeit im Untersuchungsausschuss

Anders als der CDU war uns von Beginn an klar: Wir werden im Untersuchungsausschuss unser Augenmerk auf die extreme Rechte in Thüringen legen, da hier - wie wir als LINKE schon lange thematisieren - das Problem im Bereich der politisch motivierten Kriminalität liegt.
Mit mehreren Beweisanträgen haben wir Akten, die unseren Fokus untermauern sollen und können, beigezogen. Es kann mittlerweile auf umfangreiches Aktenmaterial aus Thüringen und anderen Bundesländern zurückgegriffen werden, das das massive Problem mit der extremen Rechten sowie deren Verbindungen zur AfD aufzeigt.  Bei den Aktenlieferungen werden allerdings auch Leerstellen deutlich. Vor allem das Thüringer Amt für Verfassungsschutz (AfV) hat bisher wenig dazu beigetragen, dass der Untersuchungsausschuss seinen Aufklärungsauftrag umfassend erfüllen kann. Die bisher vorgelegten Akten des AfV bestehen mehrheitlich aus Kopien polizeilicher Erkenntnisse: was der eigene Beitrag des sich selbst als „Frühwarnsystem“ deklarierenden AfV ist, ist bisher für uns nicht erkennbar.
Die Opposition hingegen legt bisher eine geringe Arbeitsintensität an den Tag. Anträge zu Aktenbeiziehungen werden kaum gestellt oder zu großen Teilen aus den Anträgen der Fraktion DIE LINKE und der Koalitionsfraktionen kopiert. Bei der Befragung von Sachverständigen und Zeug:innen wissen die Abgeordneten der Opposition oft gar nicht, was sie fragen sollen. Der AfD ist ihr viel beschworener „Mut zur Wahrheit“ zum Teil so sehr abhanden gekommen, dass sie vor den Beiträgen von Sachverständigen den Raum verlässt. Stattdessen wird versucht, auf Showeffekte und Spektakel zu setzen. Anders ist sowohl die von der AfD beantragte Anhörung des ehemaligen Chefs des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Mitglied der Thüringer CDU Hans-Georg Maaßen als auch die von der CDU beantragte Ladung des vermeintlichen „Kronzeugen“ im Antifa-Ost-Verfahren nicht zu verstehen.

Bisherige Erkenntnisse

Inhaltlich war es den Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE möglich, die breite Verankerung und das Festsetzen der extremen Rechten und die Bildung eines „rechten Mosaiks“ zwischen gewaltbereiten organisierten Nazis, Verschwörungsideolog:innen, Pandemieleugner:innen, Reichsbürger:innen und der AfD als ihr parlamentarisches Pendant in Thüringen im Ausschuss herauszuarbeiten. Obwohl CDU und AfD eigene Sachverständige zum Thema geladen haben und trotz der umfangreichen Aktenlieferungen konnte hingegen an keiner Stelle im Ausschuss ein Nachweis für die Behauptungen über „linksterroristische Ansätze“ erbracht werden. Was sich allerdings gezeigt hat ist, dass die Instrumente, mit denen die Polizei und der so genannte „Verfassungsschutz“ versuchen, politische Kriminalität zu erfassen wenig, bis keine Aussagekraft haben. Dies betrifft neben der so genannten „Extremismustheorie“ insbesondere die polizeiliche Statistik zur politisch motivierten Kriminalität (PMK). Durch die Kategorie „politisch nicht zuzuordnen“ werden  die Zahlen zu rechten Straftaten künstlich klein gehalten. Fast alle Straftaten aus dem klar rechten Spektrum der „Reichsbürger“ oder dem der Verschwörungsideolog:innen und Pandemieleugner:innen sind laut den Richtlinien der PMK-Statistik „politisch nicht zuzuordnen“.
Zu den Fehlern, die schon im Konzept dieser Statistik stecken, kommt hinzu, dass die Polizist:innen, die einschätzen sollen, ob eine Tat politisch motiviert ist oder nicht, oft  nicht ausreichend ausgebildet sind und mit dieser Einschätzung teils auch überfordert sind.


Wie geht es weiter?

Der Ausschuss wird mit der Vernehmung von Sachverständigen und Zeug:innen und dem Verlesen von Akten wohl noch bis Frühjahr 2024 Zeit haben. Je näher der Wahlkampf rückt, desto wahrscheinlicher ist mit neuen Wahlkampfmanövern, Spektakel und Effekthascherei von Seiten der CDU und der AfD zu rechnen. Für die Abgeordneten der DIE LINKE Fraktion wird es weiter darum gehen, mit Fakten zu untermauern, wovor CDU und AfD die Augen verschließen wollen: Dass Thüringen ein Problem mit einer extremen Rechten hat, die fest verankert ist, über eigene Infrastrukturen verfügt, bundesweit relevant und herausstechend ist, die bewaffnet und gewalttätig ist und die mit der AfD über einen parlamentarischen Arm verfügt, der an einer weiteren Normalisierung extrem rechter Inhalte und einer weiteren Radikalisierung der Menschen in Thüringen arbeitet.
Um dieser Entwicklung etwas entgegen zu setzen, bedarf es einerseits einer Überarbeitung der Beobachtungs- und Erfassungsinstrumente sowie des Agierens der Sicherheits- und Ordnungsbehörden unter demokratischer, wissenschaftlicher und zivilgesellschaftlicher Begleitung. Andererseits braucht es eine starke und breit aufgestellte sowie unterstützte antifaschistische Zivilgesellschaft, die sich lokal und konkret gegen die extreme Rechte und für ein gutes Leben für alle einsetzt. Das konnten auch die Sachverständigen im Untersuchungsausschuss deutlich machen. Dem schäbigen Versuch der CDU, durch die Übernahme von AfD-Positionen Stimmung auf Kosten dieser Menschen zu machen, werden sich die Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE auch weiterhin entgegenstellen.

 

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