Wertvolle Agrarflächen besser schützen - Große Anfrage schafft Datengrundlage

Parlamentsreport

Im Ergebnis der großen Anfrage von LINKE, SPD und GRÜNEN „Verlust landwirtschaftlicher Nutzfläche durch konkurrierende Flächennutzung in Thüringen“ ergibt sich ein seit Jahrzehnten andauernder Rückgang landwirtschaftlicher Nutzfläche in Thüringen. Die Ursachen sind vielfältig.

Fruchtbarer Boden

Rund 50 Prozent der Fläche Thüringens wird landwirtschaftlich genutzt. Der hohe Flächenanteil für die landwirtschaftliche Nutzung beruht auf den sehr fruchtbaren Böden. Böden dienen allerdings nicht nur als Wirtschaftsgrundlage der Landwirtschaft und somit unserer Ernährungssicherung, Boden ist auch Lebensgrundlage und Lebensraum für Mensch und Natur, speichert Wasser, kühlt und speichert CO2. Boden müssen wir erhalten und auch gesetzlich schützen. In Thüringer ist die Netto-Null-Neuversiegelung beispielsweise ein Nachhaltigkeitsziel. In der Bilanz soll also eigentlich kein neuer Boden versiegelt werden. Um dieses Ziel auch erreichen zu können, wurde im Thüringer Landtag 2019 mit dem Thüringer Naturschutzgesetz beschlossen, dass Versieglung durch Entsiegelung ausgeglichen werden soll. Dafür wurde das Erfordernis einer sogenannten Flächenkompensationsverordnung im Thüringer Naturschutzgesetz verankert.

Große Anfrage schafft Datengrundlage

Im Ergebnis einer Großen Anfrage haben wir dafür jetzt auch die Datengrundlage, welche für den kommenden Entwurf eines Thüringer Agrarstrukturgesetzes von Relevanz ist. Landwirte haben es immer schwerer, allein mit den Gewinnen die die Landwirtschaft ermöglicht, die explodierenden Bodenpreise und Pachtpreise zu erwirtschaften. Ursache der Preisspirale ist zum einen die Tatsache, dass landwirtschaftliche Flächen als sehr sichere Kapitalanlage gelten, aber eben auch, dass Thüringen jedes Jahr landwirtschaftliche Bodenfläche verliert.

Der kontinuierliche Schwund landwirtschaftlicher Fläche seit den 90er Jahren findet hauptsächlich auf Grund der Zunahmen von Siedlungs-und Verkehrsfläche (SuV) statt. Im Freistaat Thüringen verzeichnen wir allein in 10 Jahren einen Anstieg von ca. 25 Prozent. Dafür gingen uns 2,3 ha landwirtschaftliche Nutzfläche seit den 90er Jahren täglich verloren. Dies entspricht einer Fläche von ca. drei Fußballfeldern pro Tag. Das ist fatal und man muss diese Zahlen dem 19 prozentigen Bevölkerungsrückgang in Thüringen gegenüberstellen, den wir seit 1990 zu verzeichnen haben. Immer weniger Menschen verbrauchen also immer mehr Fläche. In Thüringen geht das hauptsächlich zu Lasten der landwirtschaftlichen Fläche.

In den Raumordnungsplänen findet die Sicherung landwirtschaftlicher Flächen durch die Festlegung als Vorrang- und Vorbehaltsgebiete Landwirtschaftlicher Bodennutzung statt. In Thüringen sind 20 Prozent der Fläche des Landes als Vorranggebiete für Landwirtschaft ausgewiesen und 14 Prozent für Vorbehaltsgebiete. Allerdings müssen nur die sogenannten Vorranggebiete bei der Raumplanung zwingend berücksichtigt werden. In der Raumordnungsplanung stehen sich jedoch unterschiedliche Ansprüche gegenüber und die Sicherung von landwirtschaftlichen Fläche für Rohstoff- und Nahrungsmittelproduktion steht im Spannungsfeld mit der kommunalen Selbstverwaltung und z. B. den Bedarfen für Siedlungs- oder Gewerbeflächen. Deswegen wird der Schutz wertvoller landwirtschaftlicher Fläche und fruchtbarer Ackerböden auch regelmäßig anderen Zwecken geopfert. Prominentestes Beispiel waren wohl die Böden der Goldenen Aue bei Nordhausen, die einem großen Gewerbegebiet im Umfang von 100 ha weichen mussten. Werden Eingriffe in die Landschaft etwa durch Bebauung vorgenommen, müssen Flächenkompensationsmaßnahmen durchgeführt werden.
Damit soll die Verschlechterung der Umwelt und Natur, die durch die Veränderungen entsteht, verhindert bzw. abgemildert werden. Die Wahl der jeweiligen Ausgleichsmöglichkeit ist von der Intensität der Flächeninanspruchnahme und des Eingriffs ins Ökosystem abhängig und resultiert dann beispielsweise in der Entsiegelung anderer Flächen oder der Anlage einer Streuobstwiese oder Heckenstruktur. Problematisch ist, dass auch die Flächen für Kompensationsmaßnahmen seit 1990 insgesamt 7.014 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche in Anspruch nahmen. Dem gegenüber wurden aber nur 693 ha im Rahmen von Kompensationsflächen seit 1990 entsiegelt. Das entspricht nicht einmal 10 Prozent.

Flächen entsiegeln

Insbesondere aus klimapolitischer Sicht wäre es aber umso wichtiger, dass über die Flächenkompensationsverordnung auch Möglichkeiten geschaffen werden, Flächen in nennenswertem Umfang zu entsiegeln. Denn eine versiegelte Fläche, deren Bodenfunktion wieder hergestellt wird, ist für den Klimaschutz ungleich wertvoller als einen bereits funktionsfähigen Boden naturschutzfachlich aufzuwerten. Für eine ertragreiche Landwirtschaft sind fruchtbare Böden Grundvoraussetzung. Besonders für die gesellschaftlich gewünschte Transformation der Landwirtschaft in Richtung einer extensiveren und ökologischeren Bodennutzung erfordert es unbedingt den Erhalt landwirtschaftlicher Flächen.

Das bedeutet aber auch, dass die Landwirte immer mehr Fläche benötigen. Diese Flächen werden seit Jahrzehnten immer weniger. Gleichzeitig werden die Bedarfe an landwirtschaftlicher Fläche neben den bereits genannten Gründen auch für Solar- und Windenergieausbau erheblich steigen. Wir brauchen also ein wirksames Flächenkreislaufmanagement, d.h. dass die Flächen, die wir unvermeidlich beanspruchen, anderswo durch Recyceln und Entsiegelung von nicht mehr benötigten Flächen in der Summe ausgeglichen werden müssen und wir benötigen zudem dringend einen besseren Schutz guter landwirtschaftlicher Böden.
Dr. Marit Wagler, Ulf Raesfeld

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