Von Bürgergeld und Sprache - Erneuter Dammbruch und Vorurteile der CDU
Anfang November ist insbesondere eine politische Entscheidung des Thüringer Landtages wieder einmal in den Fokus der bundesrepublikanischen Aufmerksamkeit gerückt. Erneut war ein unterstellter Dammbruch seitens der Thüringer CDU gegenüber der AfD Anlass und Gegenstand. Auch in Thüringen hat die politischen Auseinandersetzung über die sozialen Medien und Pressemitteilungen zwischen den Regierungsfraktionen und der CDU im Nachgang zur Novembersitzung des Landtages an Schärfe gewonnen. Eine subjektive Einordnung und Wertung der Ereignisse:
Die Tagesordnung der Plenarsitzung vom 9. bis 11. November 2022 war mit 71 inhaltlichen Tagesordnungspunkten mehr als gefüllt. Am Ende der drei Tage sollten davon nicht einmal 30 der Gesetzentwürfe und Anträge abgearbeitet sein. Die parlamentarische Praxis im Thüringer Landtag ermöglicht es vorab, dass einzelne Fraktionen neben den aus rechtlichen Gründen abzuarbeitenden Vorlagen auch einzelne ihrer Initiativen „zu setzen“. Das heißt, sie kommen zwingend zum Aufruf. Die CDU reklamierte zwei Themen für sich als besonders dringlich in ihrer parlamentarischen Schwerpunktsetzung zu diesem Plenum und setzte deren Beratung durch: Tagesordnungspunkt 73 „Leistung muss sich lohnen Aktivierender Sozialstaat statt alimentierendem Bürgergeld der Bundesregierung“ und Tagesordnungspunkt 79 „Gendern? Nein Danke! Regeln der deutschen Sprache einhalten - keine politisch motivierte Verfremdung der Sprache!“. Nicht nur die Schwerpunktsetzung, auch der Inhalt der Anträge und die öffentliche Kommunikation zu diesen, beim „Gender-Antrag“ auch die erfolgreiche gemeinsame Beschlussfassung mit der AfD lassen einen neuen politischen Stil der Thüringer CDU erkennen, der besorgniserregend ist und für die Demokratie auf fatale Weise gefährlich werden kann.
Die Fleißigen und die ...
Bereits seit Wochen zog die CDU gegen das von der Bundesregierung geplante Bürgergeld zu Felde. Diese hatte sich entschieden, dass mit der Agende 2010 von Rot-Grün eingeführte diskriminierende Hartz-IV-System durch ein moderneres Bürgergeld abzulösen. So sollen Sanktionsmöglichkeiten gelockert, Menschen nicht dauerhaft in Armut getrieben, ihnen die Chance zur Qualifizierung statt Zwangsarbeit im Niedriglohnsektor belassen und der Übergang in Arbeit durch verbesserte Zuverdienstmöglichkeiten erleichtert sowie mehr Kooperation statt Kontrolle und Zwang geschaffen werden. Und, der Regelsatz sollte um etwa 50 Euro angehoben werden. Nun gibt es auch an dieser Reform berechtigte Kritik, da beispielsweise nach wie vor Sanktionen in Form der Leistungskürzungen unterhalb des Existenzminimums (!) möglich sein werden und Sozialverbände nachrechneten, dass eine armutsfeste Grundsicherung noch einmal 44% über den von der Ampelkoalition festgelegten Regelsatz liegen muss. DIE LINKE hat ihre Kritik formuliert und einen Tag vor der Entscheidung im Bundesrat aus Sicht der LINKEN Regierungsvertreter:innen in den Bundesländern veröffentlicht.
Die CDU stützt ihre sich zur Kampagne ausweitende Kritik auf die Behauptung, dass künftig Empfänger:innen von Bürgergeld mehr am Ende des Monats in der Tasche haben würden, als Menschen die fleißig seien und arbeiten gehen würden. Diese Behauptung hält keinem einzigen Faktencheck stand und ist schnell als unwahre Polemik entlarvt. Das scheint der CDU aber lange Zeit egal, da die populistische Kampagnenformel „Arbeit muss sich lohnen“ verfängt und es so deutlich wie selten zuvor zu erleben ist, wie eine Partei, die sich als in staatspolitischer Verantwortung stehende, wertebasierte Partei sieht, mit Unwahrheiten auf Stimmungs- und Stimmenfang geht. Der Thüringer CDU-Fraktionsvorsitzende im Thüringer Landtag, Mario Voigt, bezeichnete das Bürgergeld als „Politik auf dem Rücken der Fleißigen“. Das Bild ist eindeutig. Hier die Fleißigen, die sich anstrengen. Auf der anderen Seite diejenigen, die auf Kosten der Fleißigen faul seien und das schöne Leben genießen würden. Die CDU setzt ganz offensichtlich auf bereits vorhandene Vorurteile und trägt dazu bei, diese Vorurteile zu manifestieren und in der Gesellschaft weiter zu verbreiten.
Der vollständige Text inklusive der Quellen des sind in der Onlinefassung zu finden.
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