Petition des Monats
Seit August 2022 liegt dem Petitionsausschuss eine Petition vor, die sich für den Erhalt des sogenannten Perinatalzentrums Level 1 in Suhl einsetzt. Unter einem Perinatalzentrum versteht man eine Frühchenstation in einem Krankenhaus. Level 1 bedeutet dabei, dass die Klinik auch Frühgeborene mit dem höchsten Risiko und einem Geburtsgewicht von unter 1.250 Gramm versorgen kann.
Warum ist der Fortbestand von Level 1 gefährdet?
Für manche Leistungen, die ein Krankenhaus anbietet, werden sogenannte Mindestmengen an Patienten gefordert, die innerhalb eines Jahres behandelt werden müssen. Auch ein Perinatalzentrum Level 1 unterliegt einer solchen Mindestmenge. Im Jahr 2022 lag die Mindestmenge noch bei 14 extrem kleinen Frühgeborenen, dieses Jahr liegt sie bei 20 und nächstes Jahr bei 25 extrem kleinen Frühchen. Erfüllt die Klinik die Mindestmenge nicht, bekommt sie die Leistungen in diesem Bereich von den Krankenkassen nicht mehr erstattet. Die Petenten befürchten nun, dass durch die deutliche Erhöhung der Mindestmenge genau das dem Klinikum in Suhl droht.
Warum ist das Perinatalzentrum Level 1 für die Region so wichtig?
In Thüringen gibt es mit Jena und Erfurt nur zwei weitere Level-1-Zentren. Eine Schließung würde nicht nur längere Anfahrtswege für betreuende Eltern bedeuten, es droht auch der Verlust von medizinischem Fachpersonal und Expertise sowie der übrigen spezialisierten Versorgung von Kindern und Jugendlichen in der Region Südthüringen. Gerade in den sog. neuen Bundesländern (ohne Berlin) gibt es nur 17 Level-1-Zentren. In den alten Ländern sind es 150! Ein Verlust in Südthüringen würde eine weitere Ausdünnung der medizinischen Versorgung im Osten bedeuten und die Attraktivität des ländlichen Raumes weiter verringern.
Wer legt die Mindestmengen fest?
Das oberste Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung der Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten, Krankenhäuser und Krankenkassen in Deutschland ist der sogenannte Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA). Er legt die Mindestmengen fest.
Warum wird die Mindestmenge für Level-1-Zentren erhöht?
Nach Aussage des G-BA sei die Erhöhung der Mindestmenge ein unverzichtbares Element der Qualitätssicherung bei besonders komplexen oder gefährlichen Behandlungen. Dabei bestehe ein statistisch nachweisbarer Zusammenhang zwischen erbrachter Leistungsmenge und Ergebnisqualität. Mit anderen Worten, die Überlebenswahrscheinlichkeit von extrem kleinen Frühgeboren steige mit der Anzahl der Frühgeborenen, die in einer Klinik betreut und behandelt werden. Die statistisch ermittelte ideale Mindestmenge würde sogar bei ca. 45 Fällen liegen, dies hätte aber zu unzumutbar weiten Fahrtwegen von betroffenen Eltern geführt.
Haben extrem Frühgeborene in Suhl erhöhtes Risiko?
Nein. Öffentliche Plattformen, die die Qualitätsdaten von Kliniken und medizinischen Zentren sammeln und öffentlich zugänglich machen, bestätigen die sehr hohe Qualität der Versorgung von Frühgeborenen in Suhl. Die Qualität des Perinatalzentrum Level 1 in Suhl ist mit anderen großen Zentren in Thüringen und deutschlandweit absolut vergleichbar.
Kann es Ausnahmen von der Mindestmenge geben?
Ja. Wenn die Kostenträger, also die Krankenkassen und Ersatzkassen, ihre Zustimmung geben, kann das Thüringer Gesundheitsministerium eine Ausnahmegenehmigung erteilen. Voraussetzung ist aber, dass ohne das Level-1-Zentrum eine flächendeckende Versorgung nicht gewährleistet werden kann. Die Ausnahmeregelung gilt jeweils nur für ein Jahr.
Wie steht DIE LINKE vor Ort zum Thema?
Philipp Weltzien ist Mitglied im Petitionsausschuss für die Fraktion DIE LINKE im Thüringer Landtag und direkt gewählter Abgeordneter des Wahlkreises Suhl. Er unterstützt die Petition aus seiner Heimatstadt: „Aus meiner Perspektive ist die Argumentation des G-BA nicht überzeugend, dass einerseits die Fallzahl zur Qualitätssicherung am Standort Suhl nicht ausreichen würde, aber gleichzeitig dem Klinikum eine hervorragende Arbeit attestiert wird. Da kann dann schon der Verdacht aufkommen, dass es bei der Festlegung von Mindestmengen wohl auch darum geht, Ausgaben einzusparen.“ Die bisherigen Bundesregierungen hätten durch den herrschenden Wettbewerb die Gesundheitsversorgung immer weiter kommerzialisiert. Um Kosten zu sparen, seien zudem Leistungen aus dem Katalog der Krankenkassen gestrichen worden. Diese seien aber notwendig für eine gute Versorgung und gerechte Teilhabe der Menschen.
Die gegenwärtige Vorgehensweise des G-BA bedeute für die westdeutschen Bundesländer eine Ausdünnung an Perinatalzentren. Für die ostdeutschen Bundesländer, die bereits jetzt unter ausgedünnten Strukturen im überwiegend ländlichen Raum litten, sei es hingegen eine Katastrophe. „Suhl und die gesamte Südthüringer Region würde durch einen Wegfall des Level-1-Zentrums nachhaltig geschädigt“, so Weltzien. „Hochqualifizierte medizinische Fachkräfte würden mit ihrer Erfahrung an andere Kliniken wechseln. Die Versorgungssituation würde sich verschlechtern und noch mehr Familien in die großen Städte ziehen. Wir erleben einen sich gegenseitig verstärkenden Abwärtstrend.“
Wie geht es nun weiter?
Die Petition zum Erhalt des Perinatalzentrums Level 1 in Suhl stand auf der Tagesordnung der Oktobersitzung des Petitionsausschusses. Hierzu noch einmal Philipp Weltzien: „Das Thüringer Gesundheitsministerium hat mitgeteilt, dass nach einer standortbezogenen Prognose Suhl nächstes Jahr die geforderte Mindestmenge zur Versorgung von extrem kleinen Frühchen erfüllen wird. Das heißt, das Perinatalzentrum Level 1 in Suhl kann auch ohne Ausnahmegenehmigung für das Jahr 2024 weiter seine Leistungen anbieten. Der Standort ist daher zumindest für das nächste Jahr sicher. Es bleibt nun zu hoffen, dass diese positive Entwicklung weitergeht und das Level-1-Zentrum auch langfristig gesichert werden kann“, so Weltzien abschließend.