Parlamentsreport 7-2023

Die Thüringer Verfassung ist in die Jahre gekommen. Im Oktober 1993 hatte sie der Landtag beschlossen, ehe ein Jahr später die Thüringer:innen darüber abstimmten. Seither wurde sie dreimal verändert. Die bedeutendste Veränderung erfuhr die Landesverfassung 2003, als nach einem Volksbegehren die Regelungen zur direkten Demokratie jenseits der Parlamentswahlen erleichtert wurden. Die zunächst erfolgreiche Sammlung der notwendigen Stimmen wurde vom Verfassungsgericht zwar gestoppt. Nach Verhandlungen mit drei Landtagsfraktionen beschloss der Thüringer Landtag jedoch neun Monate später eine Verfassungsänderung zur Stärkung der direkten demokratischen Mitbestimmung.

Doch die direkte Demokratie führte auf Landesebene weiterhin ein Schattendasein. Die nach wie vor hohen Hürden oder das sogenannte Finanztabu bremsen die direkte Demokratie aus. Andererseits entwickelte sich das Verhältnis zwischen Parteien und Wähler:innen fort und nicht wenige meinen, dass das Vertrauen in Parteien, Wahlen und Parlamente wieder steigen kann, wenn die Einwohner:innen auch zwischen den Wahlen über grundsätzliche Fragen einfacher und häufiger mitbestimmen können. Mit Beginn der Legislaturperiode 2019 haben die Fraktionen DIE LINKE, SPD und Bündnis90/ Die Grünen einen neuerlichen Anlauf zur Stärkung der demokratischen Mitbestimmung in der Verfassung unternommen.

Ergänzt wurde diese Initiative mit Vorschlägen zur Ausgestaltung von Staatszielen, wie zum Beispiel der Stärkung ehrenamtlichen Engagements und der Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse in allen Landesteilen. Seit nun fast drei Jahren diskutiert darüber ein extra ins Leben gerufener Landtagsausschuss. Und obwohl bereits eine Vielzahl von Punkten zwischen den Fraktionen geeint ist, liegt noch immer kein abschließender Beschlussvorschlag vor. Zu groß ist wohl die politische Angst der CDU, mit Rot-Rot-Grün die Verfassung 16 Monate vor der Landtagswahl zu ändern. Immer neue Bedingungen werden formuliert. Bleibt zu hoffen, dass die dringend ausstehende Modernisierung der Verfassung, nicht parteistrategischen Überlegungen zum Opfer fällt.

Steffen Dittes, Fraktionsvorsitzender
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