Nr. 23/2010: Der Innenminister geht, aber die Probleme in Thüringen bleiben

Parlamentsreport


Aus der nächtlichen Debatte zur künftigen Ausgestaltung des Straßenausbaubeitragsrechts


Die Berufung von Prof. Dr. jur. Peter Michael Huber als Bundesverfassungsrichter kam nicht überraschend. Und dass der Thüringer Innenminister geht, aber die Probleme in Thüringen bleiben, ist eben auch ein Fakt.

In den 13 Monaten seiner Amtszeit hat der Thüringer Innenminister Huber (CDU) alles versucht, um das Kommunalrecht im Freistaat gegen alle Modernisierungsversuche zu verteidigen. Und er hatte in dieser Hinsicht durchaus Erfolg. Prof. Huber hat sich als echter wertkonservativer Politiker mit wohltuenden menschlichen Verhaltensweisen erwiesen. Die Bilanz seiner Arbeit ist aus Sicht der Bürger eher ernüchternd.
In seiner letzten Plenarsitzung als Thüringer Innenminister hatte er ausgerechnet am 11.11. viel zu tun. So war es bereits weit nach 22 Uhr, als im Landtag der Gesetzentwurf der Landesregierung zur künftigen Ausgestaltung des Straßenausbaubeitragsrechts in erster Lesung aufgerufen wurde. In seiner bekannten Art als Hochschullehrer und Jurist versuchte der Innenminister, diesen Gesetzentwurf als alternativlose Lösung für das Straßenausbaubeitragsproblem zu präsentieren.


Seit über 15 Jahren warten die Bürgerinnen und Bürger auf eine Problemlösung in dieser Frage, und sie werden wohl weiter warten müssen (s. Archivfoto von der letzten Demonstration der Thüringer Bürgerallianz gegen überhöhte Kommunalabgaben am 19. August vor dem Landtag in Erfurt). Denn was da der Innenminister vorstellte, ist nicht nur enttäuschend, sondern die Betroffenen fühlen sich betrogen. In der Sache geht es um viel Geld: über eine Milliarde Euro sollen die Thüringer für den Straßenausbau zahlen.
Thüringen wird nach dem Willen der Landesregierung auch künftig die schärfsten Bestimmungen bei der Erhebung von Straßenausbaubeiträgen haben. Grundsätzlich müssen alle Gemeinden die Bürger an den Kosten des kommunalen Straßenbaus beteiligen. Selbst für Baumaßnahmen aus den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts sollen die Bürger noch zahlen. Nur in wenigen Ausnahmefällen, die eher theoretischer Art sein werden, können Gemeinden auf die Erhebung der Straßenausbaubeiträge verzichten. In Abhängigkeit von der Verschuldung sollen Gemeinden die finanzielle Belastung für die Bürger reduzieren können. Mit diesen Vorschlägen werden wieder einmal Erwartungen geweckt, die sich nicht erfüllen lassen. Weitere Konflikte auf kommunaler Ebene sind vorprogrammiert.
Frank Kuschel, kommunalpolitischer Sprecher der LINKEN, verwies in der Debatte darauf, dass die Verschuldung einer Gemeinde kein geeignetes Kriterium für die Bewertung von Leistungsfähigkeit darstellt. Von den 950 Thüringer Gemeinden sind gegenwärtig rund 120 schuldenfrei. Die Mehrzahl dieser Gemeinden sind aber nicht schuldenfrei, weil sie finanziell gut aufgestellt sind, sondern weil sie derart arm sind, dass sie keine Genehmigung für eine Kreditaufnahme bekommen. Somit werden nahezu alle Gemeinden wie bisher hohe Straßenausbaubeiträge erheben müssen und dies rückwirkend für Ausbaumaßnahmen seit 1991.


Während CDU und SPD das Festhalten an der Beitragsfinanzierung beim Straßenausbau verteidigten, warben LINKE und Bündnis 90/Grüne für ihren Alternativvorschlag der Beitragsabschaffung und freiwilligen Erhebung einer Infrastrukturabgabe. LINKE und Bündnis 90/Grüne hatten hierzu bereits im September einen Gesetzentwurf in den Landtag eingebracht, der gegenwärtig im Innenausschuss beraten wird.
Prof. Huber warf der LINKEN vor, verfassungswidrige Forderungen zu erheben, die zudem den Landeshaushalt zusätzlich belasten. Frank Kuschel stellte diesem Vorwurf die reale Situation in anderen Bundesländern gegenüber. In drei Bundesländern gibt es keine Straßenausbaubeiträge. In zwei weiteren Bundesländern können die Gemeinden selbst entscheiden, ob und in welcher Höhe sie Straßenausbaubeiträge erheben. Was also in anderen Bundesländern möglich ist, kann in Thüringen nicht verfassungswidrig sein.
In der zum Teil hitzig geführten Debatte behauptete der Minister, der LINKEN ginge es nicht um die Lösung von Problemen, sondern um das Schüren von Bürgerprotesten, gekoppelt mit der Gefahr, die Politikverdrossenheit zu verstärken.
Der Gesetzentwurf wird nun im Innenausschuss weiter diskutiert, dann jedoch ohne Prof. Huber als Innenminister. Wer seinen Posten einnehmen wird, ist noch unbekannt. Die Ministerpräsidentin will erst im Dezember den Nachfolger für den Innenminister präsentieren.

Frank Kuschel

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