Nr. 22/2010: Darf ein Geheimdienst, ohne dass das Parlament beteiligt ist, gegen eine Fraktion vorgehen?

Im Gespräch mit Bodo Ramelow zu seiner Klage vor dem Bundesverfassungsgericht

Sie haben Klage vor dem Bundesverfassungsgericht eingelegt? Was ist der Hintergrund?

Dass das Gericht eine Verfassungsabwägung vornimmt und bestimmte Kriterien entwickelt, so hoffen wir. Es geht um die Frage, darf ein Geheimdienst, ohne dass das Parlament beteiligt ist, gegen eine Fraktion vorgehen. Darf er Ermittlungen vornehmen, darf er Daten erfassen, verarbeiten und daraus abgeleitet Werturteile in seinen jährlichen Berichten abgeben. Es geht also um die Kernfrage, wer kontrolliert wen in einer parlamentarischen Demokratie. Es liegt eine gemeinsame Klage vor, einmal eine Organklage der Linksfraktion des Bundestages der 16. Legislatur, der ich selber angehört habe, und meine Klage. Ich habe jetzt den gesamten Instanzenzug der Verwaltungsgerichtsbarkeit durchlaufen. Damit hat Karlsruhe die Möglichkeit, sich aus verfassungsrechtlicher Sicht dazu zu verhalten.

Welche Forderung richten Sie an die Bundesregierung?


Sie muss dafür Sorge tragen, dass nicht mit Hilfe von Geheimdiensten Unwerturteile abgegeben oder Materialien erstellt werden, die in Wahlkämpfen Einfluss nehmen, mit deren Hilfe die öffentliche Wahrnehmung beeinflusst und also Meinungsmache betrieben wird. Mit diesen Berichten ergeht die Botschaft gegen DIE LINKE als Fraktion im Bundestag und in den Landtagen, ja gegen alle, die in der LINKEN führende Parteiämter innehaben: über euch darf man Dossiers anlegen, euch darf man elektronisch erfassen, namentlich aktenkundig erfassen.

Hat mit den bundesweiten Wahlerfolgen der LINKEN der politisch gesteuerte Geheimdienstdruck wieder zugenommen?


Es sah eine zeitlang so aus, als ob der Kalte Krieg auch in den Köpfen unserer CDU-Innenpolitiker endlich beendet würde. Ich habe gerichtlich Erfolge erstritten. Immerhin ist mittlerweile gerichtsnotorisch amtlich festgestellt, dass die komplette Datensammlung, der ich bis zu meinem Mandatsantritt 1999 im Landtag ausgesetzt war, rechtswidrig war. Ich bin davon ausgegangen, dass das Bundesverwaltungsgericht daraus ableitet, dass die Dinge, die über den Abgeordneten Ramelow gesammelt werden, genauso rechtswidrig sind. Doch das Bundesverwaltungsgericht ist auf die Schnapsidee gekommen, dass es nur ein „minderschwerer Eingriff“ in meine Persönlichkeitsrechte sei. Das macht mir deutlich, dass der Kalte Krieg zumindest bei denen noch nicht beendet war.

Das vollständige Gespräch, geführt von Stefan Wogawa, kann auf den Internetseiten der Fraktion unter www.die-linke-thl.de nachgelesen werden

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