Nr. 21/2010: Stärkung der Selbstbestimmtheit und aktiver Nachteilsausgleich

Die PDS- bzw. DIE LINKE-Fraktion hatte schon in der dritten und vierten Wahlperiode des Landtages einen Entwurf für ein modernes, auf aktiven und konkreten Nachteilsausgleich orientiertes Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen in Thüringen im Landtag zur Debatte gestellt. Jetzt unternimmt sie erneut einen Anlauf, worüber im Rahmen eines Pressegesprächs die Sprecherin für Behindertenpolitik, Karola Stange, informierte.
Sie verwies auf den Hintergrund, wonach wegen des großen öffentlichen Drucks die CDU-Mehrheit im Landtag im Dezember 2005 ein „Integrationsgesetz“ zugunsten behinderter Menschen verabschiedet hatte. Thüringen war damit eines der letzten Bundesländer, die das Bundesgesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen mit einem Landesgesetz „flankierten“. Das Thüringer Gesetz wurde aber in seiner Geltung befristet bis 31.01.2011. In der Zwischenzeit ist für die Bundesrepublik auch das UN-Abkommen über die Rechte behinderter Menschen in Kraft getreten. Es fordert konkrete Maßnahmen zur Inklusion und tatsächlichen Gleichstellung behinderter Menschen. Nicht nur angesichts dieser neuen Entwicklungen im internationalen Recht müsste das Landesgesetz unter Einbeziehung von Fachleuten und Selbstvertretungsorganisationen dringend evaluiert werden. Doch nichts tut sich.
Daher legt DIE LINKE ihren aktualisierten Entwurf für ein modernisiertes Thüringer Behindertengleichstellungsgesetz erneut zur Debatte im Landtag vor. Es geht der Fraktion besonders um folgende Regelungen:

  • Das gesamte Landesgesetz muss sich an den Zielen und Inhalten der UN-Konvention über die Rechte behinderter Menschen ausrichten. Diese geht vom Prinzip der „Inklusion“ aus, also der gleichwertigen Teilhabe behinderter Menschen im Sinne von „verschieden und doch gleich“.
  • Das Gesetz muss eine Verpflichtung der öffentlichen Hand zu konkreten Maßnahmen zum Abbau der „doppelten Diskriminierung“ behinderter Frauen enthalten.
  • Das Benachteiligungsverbot bzw. Verstöße dagegen müssen mit Beseitigungs-, Schadenersatz- und Entschädigungsansprüchen zugunsten der Betroffenen „sanktioniert“ werden, um ihre Einhaltung wirksam zu garantieren.
  • In das Gesetz muss ein Verbandsklagerecht aufgenommen werden, damit die Betroffenen sich nicht immer als „Einzelkämpfer“ gegen (strukturelle) Diskriminierung wehren müssen.
  • Der Landesbehindertenbeauftragte muss zukünftig vom Landtag für sechs Jahre gewählt werden, in seiner Arbeit unabhängig sein und mehr Kompetenzen bekommen.
  • Die Regelungen zur Barrierefreiheit und zur Anwendung der Gebärdensprache sollen verbessert werden und es muss Ansprüche für Nachteilsausgleiche geben.
  • Das Blindengeld soll auf monatlich 320 Euro erhöht und ein Gehörlosengeld von 130 Euro eingeführt werden.
  • Für ein möglichst flächendeckendes Angebot von Assistenz-Leistungen muss es Zuschüsse vom Land geben. Ausbau der Assistenz bedeutet auch, dass Arbeitsplätze geschaffen werden, ganz abgesehen von der Stärkung der Selbstbestimmtheit der Betroffenen.

Der Landtag sollte die Gesetzes-Novellierung auch mit einer öffentlichen Anhörung beraten, in der Betroffene, Selbsthilfeorganisationen und Verbände, aber auch (andere) Fachleute aus Wissenschaft und Praxis zu Wort kommen. Insbesondere sollten die Erfahrungen aus anderen Bundesländern für Thüringen mit genutzt werden.

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