Kinder verändern diese Welt: Katja Maurer über die Freiheit kommender Generationen

Parlamentsreport

Von „Revolution“ ist heutzutage schnell die Rede, da wird man vorsichtig. Aber in diesem Fall ist der Begriff ganz treffend gewählt: die Rede ist vom Karlsruher Urteil über das Klimaschutzgesetz der Bundesregierung; eine Entscheidung, von der man in Zukunft noch viel hören wird. Denn der Spruch des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts definiert den Blick auf klimapolitische Fragen neu, man könnte sagen: Die Richter*innen in den roten Roben haben sich auf die Seite von Fridays for Future geschlagen.

Das Urteil definiert „Freiheit“ neu als etwas, das schon heute die Freiheit von morgen mitdenken muss, also die kommender Generationen. Es ist nicht mit dem Grundgesetz vereinbar, in der Gegenwart – zum Beispiel durch zu lasche Klimaschutzgesetze – auf Kosten der Kinder und Enkel zu leben.

„Wer vor dem 29. April über die umweltpolitischen Forderungen von Kindern und Jugendlichen müde gelacht hat, sollte seine Meinung spätestens jetzt hinterfragen“, sagt Katja Maurer, klimapolitische Sprecherin der Linksfraktion im Thüringer Landtag – der Karlsruher Beschluss sei der Beweis. Das Bundesverfassungsgericht habe mit der Entscheidung „bestätigt, was Umweltorganisationen und Aktivist*innen seit Jahrzehnten wissen – der Kurs der CDU-Bundesregierungen ist zu lasch, um nachhaltig die Umwelt und damit letztendlich die Unversehrtheit der Menschen zu schützen“.

Man denkt an den alten Spruch, laut dem wir die Erde nur von unseren kommenden Generationen geborgt hätten. Kapitalistische Produktion, Wachstumsfetisch, werbegetriebener Überkonsum und eine Politik, die sich nur zögerlich und zaghaft mit den Profiteuren der Klimakrise anzulegen bereit war, haben die ganze Menschheit an einen außerordentlich kritischen Punkt geführt. Und es ist wie so oft in der Politik: Es entscheiden Leute in einem Alter, die die Folgen ihres Handelns nicht mehr ausbaden müssen. Die Kinder dagegen müssen. Und sie müssen doppelt, denn zu tragen haben sie nicht nur die künftig dann drastischeren Reduktionslasten, sondern auch die schon jetzt nicht mehr abzuwenden Folgen der Klimakrise – die ihnen frühere Generationen eingebrockt haben. Um diesen Konflikt dreht sich das Karlsruher Urteil.

Konkret besagt es, schildert Katja Maurer, dass die lasche Umsetzung der Klimaschutzziele der Bundesregierung mit den Grundrechten kommender Generationen unvereinbar ist. Das bisherige Klimaschutzgesetz verpflichte zwar zur Minderung von Emissionen – aber viel zu wenig und auf eine Weise, die erhebliche Lasten, die mit der Minderung von Emission einhergehen, unumkehrbar auf Zeiträume nach 2030 verschiebe. Will man die Erderwärmung bei 1,5 Grad begrenzen, wie es Fachleute für mindestens erforderlich halten, um die schlimmsten Auswirkungen der Klimakrise zu verhindern, muss man von einem klar begrenzten, sozusagen „noch verfügbaren“ CO2-Budget ausgehen, das aber zwischen den Generationen fair verteilt werden muss. Das hat das bisherige Klimaschutzgesetz nicht getan.

„Es überrascht nicht, dass die Beschwerdeführer*innen zum Teil sehr jung sind und mit der mutigen Verfassungsbeschwerde ihre Zukunft selbst in die Hand genommen haben“, sagt Katja Maurer. „Die Kinder und Jugendlichen, die seit Jahren auf die Straße gehen, haben nun schwarz auf weiß, dass die Bundesregierung nicht in ihrem Interesse agiert – und noch deutlicher, dass die Bundesregierung den notwendigen Schutz vor den Gefahren der Klimakrise nicht ernst genug genommen hat.“

Mit dem Karlsruher Beschluss sei aber noch eines deutlich geworden, so die LINKEN-Politikerin: „Kinder und Jugendliche verändern diese Welt. Was Erwachsene seit Jahren nicht geschafft haben, wird nun von den Jüngsten unter uns in die Hand genommen.“

Klar ist, kommende Bundesregierungen müssen korrigieren, was die Amtsvorgänger*innen unterlassen haben. Beim Klimaschutz gilt: Was gestern nicht geschehen ist, wird morgen viel schwieriger werden. Das gilt für die Minderung der Emission, für Natur- und Artenschutz genauso wie für eine klimagerechte Umkehr. Denn ökologisch geht am Ende nur sozial.

Die Große Koalition hat nun in aller ein neues Klimaschutzgesetz vorgelegt. Damit will sie den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts gerecht werden – aber was da vorgelegt wurde, reicht nicht. Weder sind die Ziele radikal genug, noch werden die nötigen Schritt ausreichend definiert.

Und so sind sowohl das Karlsruher Urteil als auch die zu wenig weitgehende Reaktion der Großen Koalition darauf „ein Armutszeugnis für die Älteren unter uns“, wie es Katja Maurer nennt. „Wenn Kinder und Jugendliche die Aufgaben von Politiker*innen übernehmen, ist es Zeit die Entscheidungsträger*innen auszutauschen.“ Im Interesse der Kinder wäre es, wenn „dieser Wechsel hoffentlich am 29. September zur Bundestagswahl“ stattfindet. „Um den Klimawandel ehrlich und sozial gerecht zu bekämpfen, braucht es linke Mehrheiten – im Land wie auch im Bund.“ PR