#IchBinHanna - Rückenwind für Debatte in Thüringen

Katharina Wischmeyer und Christian Schaft
Parlamentsreport

Seit Juni 2021 machen sich zehntausende Wissenschaftler:innen unter dem Twitter-Hashtag #IchBinHanna für Dauerstellen in Hochschule und Forschung stark und lenken damit den Fokus auf prekäre Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft. Auch in Thüringen brennt vielen Betroffenen das Thema unter den Nägeln. Die Linksfraktion im Thüringer Landtag hat deshalb zusammen mit Aktiven aus der #IchBinHanna-Bewegung, betroffenen Wissenschaftler:innen aus Thüringen sowie mit dem hochschulpolitischen Sprecher Christian Schaft eine Konferenz „Wie weiter mit #IchBinHanna?“ im Haus Dacheröden am 25. April organisiert, um die Situation in der Thüringer Wissenschaft unter die Lupe zu nehmen.

Unter R2G in Thüringen ist seit 2014 in Sachen Hochschulpolitik schon einiges auf den Weg gebracht worden: So konnte beispielsweise die Finanzierung der Hochschulen im Kontext der Rahmenvereinbarung V um vier Prozent jährlich gesteigert werden. Als eines von wenigen Bundesländern ist es in Thüringen zudem gelungen, die Zielsetzung in die Verpflichtungserklärung des Landes einfließen zu lassen und „den Anteil des dauerhaft beschäftigten wissenschaftlichen und künstlerischen, mit Studium und Lehre befassten Hochschulpersonals bis zum Jahr 2027 von derzeit 58 Prozent auf mindestens 65 Prozent zu steigern“. Neben der Eingruppierung der Lehrkräfte für besondere Aufgaben analog zu den Universitäten und auf Druck der Betroffenen im Jahr 2016 konnte zudem eine Anpassung mit ersten Verbesserungen in der Thüringer Lehrverpflichtungsverordnung im Jahr 2020 vorgenommen werden. Der Hochschulexperte Schaft findet es wichtig, sich nicht auf den bisherigen Erfolgen auszuruhen, sondern weiter den Finger in die Wunde zu legen. Bei Problemen – wie im WissZeitVG – müssen alle ihre Hausaufgaben machen: Bund, Land, Hochschulen und die Beschäftigten müssen ihre Verantwortung wahrnehmen und Gute Arbeit zum Selbstverständnis werden lassen! Dr. Kristin Eichhorn, eine der Initator:innen der #IchBinHanna-Bewegung, sprach sich in ihrem Eingangsstatement für eine Reform der Personalstruktur an Hochschulen aus, die weniger hierarchisch ist und mehr zu attraktiven Arbeitsbedingungen und moderner Führungskultur führt.


Auch in den Beiträgen von Thomas Hoffmann von der GEW Thüringen und Katrin Meissner vom Netzwerk Gute Arbeit in der Wissenschaft (NGAWiss) wurde deutlich, wie sehr das Thema Konkurrenzdruck im Wissenschaftssystem vorherrscht und weniger die Forschung an sich. Die Besinnung auf Planungssicherheit und Dauerstellen für Daueraufgaben sind für die gesamte Wissenschaft sinnvoll, damit Innovationsförderung und intellektuelle Beharrlichkeit wieder an die Stelle der rastlosen Hektik des Drittmittelwettbewerbs tritt. Der Konkurrenzdruck ist vor allem das Resultat politischer Entscheidungen, einer zunehmenden wettbewerbsorientierten Mittelverteilung und überholter Personalstrukturen. In Workshops wurde mit den Teilnehmer:innen der Konferenz, die vor allem aus dem Thüringer Mittelbau kamen, über die konkrete Verbesserungsvorschläge gesprochen. Dr. Florian Kappler von NGAWiss stellte in einem Workshop verschiedene Ideen zu alternativen Personalmodellen an Hochschulen vor, während im anderen Workshop mit dem Abgeordneten Christian Schaft über die Thüringer Lehrverpflichtungsverordnung diskutiert wurde.

Die Ergebnisse der Workshops wurden zum Abschluss auch in der Podiumsdiskussion eingebracht, zu der auch Prof. Dr. Rosenthal als Vertreter der Landespräsidentenkonferenz geladen war. Auch er sprach sich dafür aus, dass das WissZeitVG verändert werden muss, war aber auch der Meinung, dass Befristungen weiterhin Bestand haben sollten. Problematisiert wurde diesbezüglich von den anderen Podiumsteilnehmer:innen, dass Menschen, die befristet angestellt sind, durch unsichere Beschäftigungsperspektiven unnötig unter Druck stehen und sich das negativ auf ihre Lehre und Forschung auswirken kann. Deshalb herrschte große Einigkeit darüber, dass klare Kriterien für Qualifizierung und Arbeit in der Wissenschaft geschaffen werden müssen, um eine Bestenauslese zu garantieren, die den Namen auch verdient. Bisher sortiere das System viel zu oft Menschen aus und produziere damit mehr Durchfall als Verstopfung, wie es Kristin Eichhorn sehr treffend formulierte. Der LINKE Hochschulpolitiker Schaft will zusammen mit den Beschäftigten an den Hochschulen am Thema dranbleiben und durch zukunftsfähige Personalmodelle, eine Reform der Lehrverpflichtungsverordnung im Land und die Steigerung der Transparenz bei Ausschreibungen sowie den Einsatz auf Bundesebene für ein Wissenschaftsqualifizierungsgesetz Gute Arbeit in der Wissenschaft zur Selbstverständlichkeit machen.

 


 

Hier geht es zu den Video-Mitschnitten der Konferenz: