Ein solidarische Nothilfeprogramm für Thüringen

Julian Degen

Die rot-rot-grünen Fraktionen im Thüringer Landtag haben Mitte Oktober zusammen mit CDU und FDP ein 407 Millionen Euro schweres Hilfspaket für private Haushalte, private und kommunale Unternehmen, Vereine und Kommunen beschlossen. Die Gelder sollen vor allem jene erreichen, die vom Bund vergessen oder bei der Energiekrise nicht ausreichend berücksichtigt werden.
Viel wurde über den Inhalt des solidarischen Nothilfeprogramms für Thüringen geschrieben. 300 Millionen Euro stehen für private und kommunale Unternehmen zur Verfügung, denen aufgrund der Krise eine Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit droht. Weitere 107 Millionen Euro stehen für Menschen, Vereine und freie Träger in Not bereit. Über die Beantragung und Auszahlung wird in den nächsten Wochen genauer informiert und mit Blick auf das Handeln der Bundesregierung, wird auch in den nächsten Wochen und Monaten noch viel in dieser Sache gemacht werden (müssen).

Entstehung des Hilfspakets

In der Chronologie der Entstehung des Hilfspakets bemühte sich vor allem die CDU im Bereich der Illusionskünste. So stellte Steffen Dittes, Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE im Thüringer Landtag im Rahmen des Sonderplenums am 14. Oktober fest: „Herr Voigt, wenn Politik ein Zirkus wäre, dann wären Sie der Illusionskünstler.“ Nachdem Mario Voigt (CDU) kurz zuvor die Lorbeeren für das Hilfspaket sich selbst und seiner Fraktion verlieh. Die Behauptung, der CDU sei es zu verdanken, dass es nun einen solchen Hilfefonds gäbe, denn sie seien es gewesen, die der Landesregierung Druck gemacht hätten, während diese untätig gewesen sei.
Die Faktenlage sieht jedoch anders aus. Zum einen war die Landesregierung niemals untätig in dieser Sache. Bodo Ramelow höchstpersönlich machte seit Kriegsbeginn auf die schwierige Lage aufmerksam und initiierte zum Beispiel einen Glasgipfel, der die Betroffenen aus der besonders von der Gaskrise betroffenen Glasindustrie zusammenholte und Lösungswege skizzierte. Bereits im April 2022 legte Ramelow mit anderen regierungsbeteiligten LINKEN einen Plan für ein 100 Milliarden Sondervermögen Energie auf den Tisch. Auch die Thüringer Landtagsfraktion DIE LINKE stellte bereits am 1. Juli ein Positionspapier in dieser Sache mit Bezug auf Thüringen vor. Die CDU bemühte sich erst ein paar Tage später mit einem Vorschlag um öffentliche Aufmerksamkeit in der Sache. Auch im darauffolgenden Juli-Plenum brachte DIE LINKE das Thema auf die Tagesordnung. Die CDU war zu diesem Zeitpunkt und in den Wochen davor vor allem damit beschäftigt, die Abstandsregelungen für Windräder zu Wohngebieten vergrößern zu wollen, also den Ausbau von erneuerbaren Energien de facto zu erschweren.
Über die Sommerpause initiierten die Koalitionsfraktionen einen gemeinsamen Antrag für einen Härtefallfonds. Die Idee dieses Mal: das Hilfspaket für die Coronapandemie sollte auch für Energiehilfen zur Verfügung stehen.

Antrag für Härtefallfonds

Die CDU lehnte den Vorschlag eines Antrags für einen Härtefallfonds zuletzt sogar noch in der Landespressekonferenz Mitte September als schlechte Idee ab. Rot-Rot-Grün forderte die CDU nicht nur zum wiederholten Male auf, sich endlich an der Umsetzung eines Hilfspaketes für Thüringen zu beteiligen, sondern reichte auch einen entsprechenden Antrag für die Plenarsitzung im September ein. Erst später reichte die CDU einen eigenen Antrag in derselben Sache ein, bewies so zumindest, sich mit der Sache zu befassen, vermied es aber weiterhin, sich zu einer gemeinsamen Umsetzung zu bekennen. In der 91. Plenarsitzung wurde der von Rot-Rot-Grün vorgelegte Antrag dann zumindest in den zuständigen Ausschuss überwiesen, denn die CDU wollte die Idee immer noch nicht mitmachen und forderte eine Befassung zu diesem Thema zu einem späteren Zeitpunkt. Stattdessen veröffentlichten sie ein Papier für einen Fünf-Punkte-Schutzschirm, in dem sie das forderten, was es längst hätte geben können, wenn sie denn nur Lust gehabt hätten. Immerhin in der Woche darauf begannen die Verhandlungen zwischen Rot-Rot-Grün und CDU.
Am 14. Oktober wurde das solidarische Nothilfeprogramm im Sonderplenum beschlossen.

Die Illusionskunst der CDU

Es muss fairerweise gesagt werden, dass die CDU zahlreiche Vorschläge in der Öffentlichkeit präsentiert hat. Beispielsweise schlug sie im Juli einen sogenannten Energiesicherungsfonds über 400 Millionen Euro aus zusätzlichen Steuereinnahmen vor. Dieser Vorschlag war aus diversen Gründen nicht umsetzbar, hierbei spielten vor allem haushaltstechnische Aspekte, aber auch die von der CDU geforderte Globale Minderausgabe, eine Rolle. Leider hielt sich die CDU maßgeblich mit Beiträgen zur Debatte mit Pressemitteilungen auf und präsentierte diese nicht in den entsprechenden parlamentarischen Gruppen. Über Pressemitteilungen jedoch wird vor allem die Illusion von Politik erzeugt, Politik selbst wird im Parlament, den entsprechenden parlamentarischen Runden oder den Ausschüssen gemacht und genau dort entstand im Zusammenwirken der demokratischen Kräfte im Landtag ein solidarisches Nothilfeprogramm, was hilft.

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