Bildung, sicher und gerecht: Ein neues Schulgesetz für Thüringen

Parlamentsreport

1) Stärkung Praxisorientiertes Lernen

Stärkung der Regel- und Gemeinschaftsschulen: Das praxisorientierte Lernen wird als durchgängiger Auftrag an alle Regel- und Gemeinschaftsschulen im Gesetz formuliert. Dies soll durch Integration praxisbezogener Lernformen in den Unterricht und durch lernortbezogene Kooperation mit Betrieben der Region an möglichst jeder Schule umgesetzt werden.
Erklärung: In Thüringen haben viele Schulen bereits sehr gute Erfahrungen mit praxisorientierten Lernformen und Lernortkooperationen mit Betrieben ihrer Region gesammelt. Diese sollen jetzt auf alle Regel- und Gemeinschaftsschulen ausgeweitet werden.

2) Längeres gemeinsames Lernen

Ausbau des längeren gemeinsamen Lernens durch die Entstehung von neuen Gemeinschaftsschulen vor allem an solchen Schulstandorten, wo Grund- und Regelschulen direkt nebeneinander bestehen und sich einen gemeinsamen Schulbezirk und ein gemeinsames Schulumfeld teilen, wo die Voraussetzungen also günstig sind. An diesen Standorten sollen innerhalb von fünf Jahren über schrittweise verstärkte Kooperationen neue Gemeinschaftsschulen entstehen.
Erklärung: In mehreren Landkreisen stehen den Schüler:innen und den Eltern bis heute keine Angebote längeren gemeinsamen Lernens (Klasse 1 bis 10/12/13) in erreichbarer Entfernung zur Verfügung. Da, wo die Voraussetzungen besonders günstig sind, wollen die Fraktionen von Rot-Rot-Grün deswegen neue Gemeinschaftsschulen initiieren. Systematisch bleibt es aber beim bisherigen Nebeneinander von Grund-, Regel-, und Gemeinschaftsschulen und Gymnasien sowie einigen Gesamtschulen.

3) Verbesserte Digitalität

Als Erfahrung aus der Corona-Pandemie sollen digitale Unterrichtsformen klar geregelt werden. Situationen, in denen sie zum Tragen kommen, müssen beschrieben und eingegrenzt werden, denn weiterhin soll der Präsenzunterricht die tragende Unterrichtsform sein. Damit wird den Schüler:innen wie den beteiligten Lehrkräften Sicherheit im Umgang mit digitalen Unterrichtsformen gegeben.
Im Gegensatz zu anderen Bundesländern, die die Lehr- und Lernmittelfreiheit abgeschafft haben, will Rot-Rot-Grün in Thüringen diese zur digitalen Lernmittelfreiheit ausweiten.
Erläuterung: Thüringen will als derzeit erstes und einziges Bundesland in Deutschland die Pflicht des Landes festschreiben, eine Grundausstattung für die Teilnahme an digitalen Lernformen auf Landeskosten allen Schüler:innen zur Verfügung zu stellen (z. B. Laptop/Tablet und benötigte Lern-Software).

4) Assistenzkräfte zur Entlastung der Lehrenden

Um die Lehrkräfte und die Schulleitungen zu entlasten und besser zu unterstützen, sollen im Rahmen von Modellversuchen mehrere hundert pädagogische und Verwaltungs- Assistenzkräfte an den Schulen zum Einsatz kommen. Ohne selbst Lehrkräfte zu sein, sollen die pädagogischen Assistenzkräfte Begleitaufgaben im Unterricht erfüllen, und die Verwaltungs-Assistenzkräfte vor allem organisatorische und bürokratische Mithilfe bringen.

5) Wegfall der "Besonderen Leistungsfeststellung"

Die Besondere Leistungsfeststellung am Ende der Klasse 10 soll wegfallen. Aber nicht ohne Ersatz: Mit der Versetzung in Klasse 11 sollen die Schüler:innen zukünftig zugleich automatisch einen anerkannten Realschulabschluss erwerben, diese Lösung wird bereits in den meisten anderen Bundesländern praktiziert.
 Obwohl die Prüfungssituation von einigen Praxisvertreterinnen als gute Übung für die Schülerinnen und Schüler erlebt wird, gibt der Gesetzentwurf hier der Entlastung der Lehrkräfte von zusätzlichen Organisations- und Korrekturaufgaben den Vorrang. Zudem verbraucht die Prüfungsvorbereitung Zeit für die Wiederholung von Lernstoff, in der keine Vermittlung von neuen Lernstoffen stattfinden kann.

6) Stärkung der Schulsozialarbeit

Ins Gesetz soll ausdrücklich eine bedarfsdeckende Ausstattung unserer Schulen mit Schulsozialarbeit als Ziel aufgenommen werden. Mit dieser Bestimmung wird sich eine weitere deutliche Ausweitung der Schulsozialarbeit um noch einmal ca. 200 Stellen verbinden. In den letzten Jahren hat sich die Schulsozialarbeit zu einem zentralen Unterstützungsinstrument entwickelt, das individuelle Problemlagen von Schülerinnen und Schülern sowie Konflikte bearbeitet, das Schulleben mitgestaltet und sich überall positiv auf das Schulklima auswirkt.
Das Land will die dafür notwendigen erheblichen Mittel im nächsten Landeshaushalt bereitstellen. Für die Verteilung an die Schulen entsprechend der Größe des Bedarfs sollen aber nach wie vor die Planungsgremien der Kreise zuständig sein.

7) Mehr Mitwirkung und Demokratie

Um die demokratische Schulentwicklung zu stärken, will Rot-Rot-Grün die Befugnisse der demokratisch gewählten Schulkonferenzen ausbauen. Zukünftig sollen diese auch über das Schulkonzept und das Auswahlverfahren für die Schule beschlussbefugt sein. Die Schulkonferenz dient als Organ der Mitbestimmung von Schüler:innen, Eltern, Erzieher:innen und Lehrer:innen an der Schule und wird jeweils für zwei Schuljahre gebildet.
Darüber hinaus können Schülersprecher:innen jetzt ab der ersten Klasse gewählt werden, was die Schüler:innenmitwirkung ausdehnt.

8) Weniger Unterrichtsausfall

Einzügig geführte Grundschulen und Regelschulen sollen durch das Gesetz zur Kooperation mit anderen Schulen verpflichtet werden.  Ziel ist es nicht, diese Schulen zu schließen, sondern im Gegenteil, ihnen bei den bestehenden Problemen zur Unterrichtsabsicherung gerade im ländlichen Raum, über Kooperationen mehr Möglichkeiten zur Problemsteuerung, vor allem beim Lehrereinsatz, in die Hand zu geben.
Erläuterung: Mit dieser Bestimmung sollen gerade kleine Grund- und Regelschulen, die häufig Probleme in der Unterrichtsabsicherung haben, angehalten werden, mit anderen Schulen zur besseren Absicherung des Unterrichts zu kooperieren. Ziel: weniger Unterrichtsausfall.

9) Mehr Qualität durch Schulkonzepte

Allen Schulen soll durch das Schulgesetz künftig die Aufgabe gestellt werden, ein Schulkonzept zu erarbeiten, in dem die Ziele und pädagogischen Schwerpunkte ihrer Arbeit festgelegt sind und das mit Beteiligung der Eltern und Schüler:innen regelmäßig fortgeschrieben wird.
Dies stärkt die Qualität von Schule, weil sich die Schulen dann intern regelmäßig mit Stärken und Schwächen ihrer Arbeit aus Sicht aller Beteiligten auseinandersetzen.

 

DIE LINKE will die praxisorientierte Bildung an den allgemeinbildenden Schulen deutlich ausbauen. Die Schulen sollen verpflichtet werden, in inhaltlicher und unterrichtsorganisatorischer Form Bezüge zur beruflichen Praxis breit in den Schulalltag einzubauen und dabei mit Praxispartnern zu kooperieren. Diese Maßnahme soll einerseits Schülerinnen und Schülern helfen, ihre beruflichen Interessen früher zu erkennen und auszuformen und ein Gefühl für die berufliche Praxis zu bekommen.

Andererseits sind nach langjährigen Rückmeldungen aus den Schulen Praxiserfahrungen und neue Bezugspersonen auch außerhalb von Schule gut geeignet, gerade jungen Menschen mit schulischen Schwierigkeiten neue Lernmotivation zu vermitteln. „Dies ist sehr wichtig“, erklärt Torsten Wolf, bildungspolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE im Thüringer Landtag: „weil es dazu beitragen kann, die Zahl der Jugendlichen zu verringern, die derzeit in Thüringen die Schule ohne Schulabschluss verlassen. Angesichts der diesen jungen Menschen verlorengehenden Chancen bei gleichzeitig hohen Personalbedarfen in allen Teilen von Wirtschaft und Verwaltung, müssen wir hier besonders aktiv werden! Nach einer Untersuchung der Bertelsmann-Stiftung (06.03.2023) verlassen über 8 Prozent der Thüringer Schulabgängerinnen und Schulabgänger die Schule ohne Abschluss. Unter den Jugendlichen mit Migrationshintergrund macht dieser Anteil sogar 23 Prozent aus. Das geht gar nicht!,“ fasst Wolf zusammen.

Es gibt in Thüringen bereits eine größere Zahl an Schulen, die mit Praxispartnern, meist Unternehmen aus der Region, gemeinsam Ansätze entwickelt haben, um die berufliche Praxis für Schülerinnen und Schüler der höheren Klassen in größerem Umfang erfahrbar zu machen. Das wohl größte Projekt dieser Art ist der vom Nordthüringer Schulamt in Worbis vermittelte wöchentliche „Tag in der Praxis“ (TiP), an dem mehr etwa 15 Schulen in den Kreisen Nordhausen, Mühlhausen, Eichsfeld und Unstrut-Hainich-Kreis in den achten und neunten Klassen teilnehmen; jedes Jahr mehr, mit großem Erfolg. Der Abgeordnete ergänzt: „In der Anhörung zum Schulgesetz haben viele Verbände und Expert:innen diesen Weg unterstützt. Mehr Praxisorientierung wurde als ‚wichtiges Instrument zur rechten Zeit‘ (GEW) angesehen.“  

Mehr dazu unter: www.schulgesetz.die-linke-thl.de