33 Jahre danach - Veranstaltungsrückblick

Parlamentsreport

»33 Jahre nach 1989: Was bleibt und was nun?«, so der Titel unserer Veranstaltung die im Rahmen der Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit stattfand. Die Linksfraktion im Thüringer Landtag wollte sich gemeinsam mit den Gästen des Abends kritisch mit dem 3. Oktober auseinandersetzen und die Entwicklungen wichtiger gesellschaftspolitischer Themen seit der Wende in den Blick nehmen.


„Was ist eigentlich aus der Sehnsucht nach Veränderung geworden, die am 3. Oktober 1990 auf sehr abrupte Art und Weise gestoppt wurde? Was heißt das für die heutige Diskussion, wenn wir auf Krisen reagieren oder gesellschaftliche Veränderungen anstoßen?“, eröffnete Fraktionsvorsitzender Steffen Dittes die Veranstaltung. Daraufhin referierte Prof. Dr. Klaus Dörre, Soziologe an der Uni Jena und stellte Thesen seines Buchs »Die Utopie des Sozialismus« vor. Dörre beschreibt darin den Sozialismus als Gegenbegriff zum kapitalistischen Expansionsparadoxon. „Kapitalismus ist zu einem chronisch ineffizienten, ineffektiven und im Grunde parasitären System geworden, das sämtliche Formen von Sozialität ausplündert. Sozialismus als Begriff umfasst die radikalste Kritik und verbindet sie mit der Aussicht auf eine bessere Gesellschaft“, so Dörre. Der Professor sieht in der wissenschaftlichen Aufarbeitung der DDR-Geschichte ein Ungleichgewicht, die schwerpunktmäßig von Personen aus Westdeutschland betrieben wird. Die Perspektive der Menschen aus der DDR bliebe dabei oftmals einseitig, obwohl sie sehr viel komplexer ausfalle. Dörre sieht in der heutigen Bundesrepublik den ostdeutschen Anteil sowie den Anteil aus migrantischer Perspektive, der sogenannten „dritten Generation“ in Politik, Medien und öffentlichen Institutionen nicht adäquat abgebildet. Abschließend appellierte er, Protest zuzulassen. „Es kommt immer darauf an, den jeweils nächsten Schritt zu gehen. Veränderung beginnt mit Widerspruch und Protest. Heraufziehende Proteste dürfen nicht radikalen Rechten überlassen werden!“


Im Anschluss sprach Ina Leukefeld, ehemalig MdL der Linksfraktion im Thüringer Landtag. Sie sprach die Wende und die damit kritische Auseinandersetzung des eigenen bisherigen Lebens an. Sie sieht darin einen Prozess des Lernens. „Dies war ein wichtiger Beitrag zur Emanzipation.“ Gescheitert sei die Art des Sozialismus wobei sie infrage stellte, ob es sich beim Sozialismus der DDR überhaupt um eben solchen gehandelt habe, „aber nicht die Ideale einer freien, demokratischen Gesellschaft“, so Leukefeld. Die Suche nach den Ursachen für das Scheitern seien nicht zu Ende verfolgt wurden. Die ehemalige Abgeordnete sprach derzeitige Herausforderungen im Osten des Landes an, so etwa die akute Abwanderung aus klein- und mittelgroßen Städten Thüringens.
Auf aktuelle Herausforderungen ging auch der Ministerpräsident und Abgeordnete der Linksfraktion, Bodo Ramelow, in der dritten Rede des Abends ein. „Derzeit findet ein Veränderungsprozess statt, der uns alle Kraft fordert. Aber wir müssen den Menschen einen Weg anbieten, wie wir gesellschaftliche Veränderung erreichen können.“
Zum Abschluss des Abends wurde die Runde für eine Podiumsdiskussion geöffnet, in die auch persönliche Erfahrungen der Zuschauenden einflossen. „Die Geschichten müssen erzählt werden und es muss zugehört werden“, so die anwesende Abgeordnete Anja Müller. „Gerade in der Nachwende-Generation muss der Brückenbau-Gedanken weitergelebt werden.“