Die 4-Tage-Woche funktioniert bereits

Parlamentsreport

Veränderte Arbeitsmodelle werden im Moment viel diskutiert. Gerade nach der Pandemie zieht sich gleichzeitig der Wunsch der Arbeitnehmer:innen nach weniger Arbeit quer durch alle Berufsbranchen. Im Mittelpunkt der Debatte steht das alternative Arbeitszeitmodell der 4-Tage-Woche.

„Wie lange können wir uns die 5-Tage-Woche überhaupt noch leisten?“, hinterfragt die Sprecherin für Arbeit und Gewerkschaft der Fraktion DIE LINKE im Thüringer Landtag, Lena Saniye Güngör. Nicht nur der sich weiter verschärfende Arbeits- und Fachkräftebedarf, sondern auch zunehmend steigende Krankenstände der Arbeitnehmer:innen erforderten alternative Arbeitszeitmodelle, um langfristig Fachkräfte für Unternehmen anwerben, aber auch halten zu können. Daher stehe die Fraktion DIE LINKE bereits seit längerem im engen Austausch mit den Gewerkschaften und Thüringer Betrieben. Tatsächlich hat ein Thüringer Unternehmen, der Eichsfelder Leckortung und Bautrocknungsservice (ELBS), die 4-Tage-Woche bereits erfolgreich umgesetzt. Im Rahmen der auswärtigen Fraktionssitzung in Leinefelde besuchte der Arbeitskreis Soziales die Firma.

Das Unternehmen, in Hundeshagen ansässig, ist ein mittelständischer und handwerklicher Betrieb, der sich auf die Ortung und Reparatur von Leckagen spezialisiert hat. Der Inhaber Rocco Funke hat die 4-Tage-Woche bereits im Sommer 2021 eingeführt. Danach folgten intensive Transformationsprozesse sowohl auf Seiten der Geschäftsführung als auch der Mitarbeitenden. Laut Angaben der Mitarbeitenden und der Geschäftsführung hat sich die Zufriedenheit und die Lebensqualität auf beiden Seiten verbessert. Gleichzeitig konnte der Umsatz um 50 Prozent gesteigert werden. Hier zeigt sich exemplarisch, dass die 4-Tage-Woche ein Standortvorteil sein kann. Die Arbeitnehmer:innen in Thüringen haben dieses Potential erkannt: Obwohl die Firma in einer recht kleinen Ortschaft liegt, erhielt der Betrieb nach der Ausschreibung neuer Arbeitsplätze und der Aussicht auf eine 4-Tage-Woche 60 Bewerbungen. „Ein deutliches Signal für den Wunsch nach einem Wandel der Arbeitskultur. Genau dieser ist gefordert, wenn wir dem Arbeits- und Fachkräftemangel im Freistaat begegnen wollen“, so Güngör. Damit widerlege der handwerkliche und mittelständische Betrieb die Kritik der Thüringer Wirtschaftsverbände, welche eine Einführung des Modells, insbesondere in dieser Branche, als problematisch erachten. Der gemeinsame Austausch verdeutlichte auch, dass mit dem Modell die Chance verknüpft ist, eine neue Unternehmenskultur zu etablieren: Es geht um Mitdenken und Mitgestalten, den Mitarbeiter:innen ermöglichen, sich selbst in den Betrieb einzubringen. Aber auch um Supervision und gemeinsames Lernen. Wenn die Wertschätzung der Mitarbeiter:innen stimme, wirke sich das auch auf die Motivation und Gesundheit positiv aus, erklärte der Inhaber Rocco Funke. Mit dem geplanten Finus-Projekt arbeitet der Betrieb derzeit gemeinsam mit dem Bildungsträger Engelhardt Consulting daran, die Erfahrungen mit dem Modell der 4-Tage-Woche auch anderen Unternehmen näherzubringen.
Es gleicht blankem Hohn, dass konservative Kräfte in Thüringen sich offen dazu bekennen, eine mögliche Einführung einer 4-Tage-Woche im Vorfeld verhindern zu wollen. „Der Ruf nach steuerlichen Vorteilen für Überstunden verkennt völlig die Arbeits- und Lebensrealität der Thüringerinnen und Thüringer“, erklärt Güngör.