Untersuchungsausschuss „Treuhand in Thüringen“: wie arbeitete die Privatisierungs-Anstalt?

Andreas Schubert, Lena Saniye Güngör
PresseUA72-TreuhandAndreas Schubert

Der Untersuchungsausschuss „Treuhand in Thüringen“ hat am Dienstag in einer weiteren Sitzung erstmals Mitarbeiter der Treuhand-Anstalt sowie ein Mitglied der ersten Thüringer Landesregierung angehört.

Im Mittelpunkt standen Fragen zur Funktionsweise und Privatisierungspraxis der umstrittenen Behörde und ihr Verhältnis zur Bundes- und Landespolitik. Der Leiter der Erfurter Treuhand-Niederlassung, Volker Großmann, war für über 1000 Unternehmen zuständig. Im Zeitraum bis 1994 wurden davon rund 300 liquidiert. Günter Link stand dem Länderreferat für Thüringen bei der Treuhand vor. Die Abgeordneten befragten auch Detlef Scheunert, der als einziger Ostdeutscher ein Direktorat der Treuhand leitete. Seine Abteilung verantwortete die Privatisierung und teilweise Abwicklung der Glas- und Keramikindustrie in den gesamten neuen Bundesländern, darunter auch einige der größten Thüringer Betriebe wie Carl Zeiss Jena oder das Hermsdorfer Unternehmen Tridelta.

Andreas Schubert, Obmann der Fraktion DIE LINKE, erklärte dazu: „Uns interessiert insbesondere das Verhältnis zwischen Landespolitik und Treuhand. Der Untersuchungsausschuss muss klären, ob Regierung und Parlament überhaupt Einfluss auf die Abwicklung der Thüringer Wirtschaft nehmen konnten – oder ob die Behörde eine Blackbox jenseits demokratischer Kontrolle war.“

So gab es zwar eigene Referate für die neu entstandenen Bundesländer und später auch regelmäßige Spitzengespräche zwischen Politik und Treuhand, etwa in den sogenannten Wirtschaftskabinetten. Dazu kommentierte Schubert: „Es ist aber zumindest zweifelhaft, dass es sich dabei um mehr als Feigenblätter handelte. Darum haben wir heute den ersten Wirtschaftsminister Thüringens, Hans-Jürgen Schultz, zu diesem Thema befragt“.

Lena Saniye Güngör, Mitglied des Treuhand-Untersuchungsausschusses, ergänzte: „Ein weiterer Schwerpunkt sind die teils frappierenden Fälle von Wirtschaftskriminalität und schlichtem Behördenversagen im Kontext der tausenden von Betriebsabwicklungen und -privatisierungen, die innerhalb weniger Jahre von der Treuhand verantwortet wurden. Eine Frage, die dabei für uns im Fokus steht, ist die Haftungsfreistellung für Mitarbeiter der Treuhandanstalt. Wie weitreichend diese war und welche Auswirkungen sie auf den Privatisierungsprozess hatte, wird uns im Ausschuss noch weiter beschäftigen.“

Dem Thema der sogenannten „Kali-Fusion“, das den Ausschuss in seiner Sitzung am 30. Mai beschäftigen wird, widmet sich schon am 20. April eine Veranstaltung der Fraktion DIE LINKE im Thüringer Landtag. Der Historiker Christian Rau wird sein neu erschienenes Buch „Hungern für Bischofferode“ vorstellen und mit den Mitgliedern des Untersuchungsausschusses über Treuhand und Kali-Industrie diskutieren.

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