Saisonarbeit sichtbar machen: Rechte der Saisonarbeitskräfte müssen gestärkt werden

Lena Saniye Güngör

Anlässlich des Saisonstarts auf dem Spargelhof Kutzleben erklärt Lena Saniye Güngör, arbeitspolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke im Thüringer Landtag: „Während in Kutzleben mit dem Ministerpräsidenten der Beginn der Spargelsaison gefeiert wird, bleiben die Hände, die das beliebte Gemüse gestochen haben, und die Arbeitsbedingungen derjenigen, die die Ernte ermöglichen, ungesehen. Dabei leisten Saisonarbeitskräfte einen unverzichtbaren Beitrag, doch ihre Rechte und Lebensbedingungen entsprechen häufig nicht den Standards, die wir in einer demokratischen Gesellschaft erwarten sollten.“

In Deutschland, führt Güngör aus, gelten für Saisonarbeitskräfte bestimmte arbeitsrechtliche Regelungen: Sie haben Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn, Urlaub und unter bestimmten Voraussetzungen auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Allerdings bestehen auch Einschränkungen: Bei kurzfristigen Beschäftigungen von bis zu drei Monaten oder 70 Arbeitstagen sind sie von der Sozialversicherungspflicht befreit. Zudem kann die Kündigungsfrist bei solchen Arbeitsverhältnissen auf einen Tag verkürzt werden, was die soziale Absicherung der Arbeitskräfte erheblich beeinträchtigt.

Formell gelte zwar der Mindestlohn, so die Abgeordnete, „doch Berichte über Verstöße, über zu lange Arbeitszeiten, unzureichende Pausen, mangelhafte Unterkünfte, unzureichende Krankenversicherung und Einschüchterung gegenüber Gewerkschaften häufen sich jedes Jahr aufs Neue. Dass dies keine Einzelfälle sind, wird auch sehr eindrücklich in einer Studie der Universität Duisburg-Essen dokumentiert.“

Besonders perfide: Wer sich beschwert, riskiert oft das vorzeitige Ende des Arbeitsverhältnisses und damit den sofortigen Verlust von Einkommen, Unterkunft und Perspektive. Ein solches Abhängigkeitsverhältnis ist nicht nur sozial problematisch, sondern auch demokratisch unhaltbar.

„Wir dürfen uns nicht damit zufriedengeben, dass Mindeststandards formal gelten. Die Frage ist: Haben die Menschen überhaupt die reale Möglichkeit, ihre Rechte auch wahrzunehmen oder leben sie in einem rechtlichen Niemandsland, das ausnutzt, dass sie gehen müssen, bevor sie sich wehren können?“

Die verbreitete Verteidigung, dass es sich bei Saisonarbeit um ein freiwilliges Arrangement handle, greift nach dem Dafürhalten der Fachpolitikerin zu kurz: „Freiwilligkeit unter ökonomischem Druck ist oft keine echte Wahl. Sie ist ein Arrangement unter Bedingungen struktureller Alternativlosigkeit. Eine Gesellschaft, die mit sich selbst im Reinen sein will, darf nicht akzeptieren, dass ganze Arbeitsbereiche dauerhaft außerhalb ihrer sozialen Ordnung organisiert werden. Es geht nicht nur um Löhne oder Unterkünfte. Es geht dabei auch um die Frage, wie wir Zugehörigkeit denken. Und ob wir bereit sind, unsere Demokratie an ihren Rändern ernst zu nehmen.“

Güngör meint, auch der Ministerpräsident habe hier eine Verantwortung, die Rechte dieser Beschäftigten in den Fokus zu rücken und nicht nur auf Fotos mit der Spargelkönigin zu posieren. Sie fordert deshalb einen Perspektivwechsel in der öffentlichen und politischen Debatte. Nicht mehr die Frage, wie viele Hände gebraucht werden, soll im Zentrum stehen, sondern was wir den Menschen schulden, die diese Arbeit leisten. Nicht nur für ein paar Wochen im Jahr, sondern strukturell, dauerhaft, gerecht.

Die Studie der Universität Duisburg-Essen ist abrufbar unter:

https://duepublico2.uni-due.de/servlets/MCRFileNodeServlet/duepublico_derivate_00081972/IAQ-Report_2024_09.pdf

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